Auferstehung
an den Rändern des Lochs hängen und hielt ihn davon ab, zerrte an seinem grauen Fleisch. Er stieß einen zweiten Schrei aus – ein markerschütternder Laut – und warf sich hin und her, fluchte und spuckte Schleim aus seinem mahlenden, verzerrten Maul.
Batu sprang rasch an Dragosanis Seite, stützte ihn und reichte ihm eine Sichel, deren Schneide frisch geschliffen silbrig glänzte. Der Nekromant ergriff sie, schüttelte Batu ab, und näherte sich schwankend dem tobenden Ungeheuer, das auf halbem Wege in seinem Grab gefangen war.
»Als sie dich das letzte Mal begraben haben«, keuchte Dragosani, »machten sie einen großen Fehler, Thibor Ferenczy.« Seine Nacken- und Armmuskeln spannten sich, als er die Sichel zückte. »Sie haben deinen verdammten Kopf dran gelassen!«
Das Monstrum zerrte an dem Schaft in seiner Brust und starrte Dragosani mit einem unbegreiflichen Ausdruck an. Furcht lag darin, aber noch mehr Verblüffung, als könnte die Kreatur diese plötzliche Umkehrung der Ereignisse nicht begreifen. »WARTE!«, krächzte es, als Dragosani sich näherte. Der spröde Bass der Stimme klang wie ein Wald von Baumschösslingen, der unter einer Lawine zerbricht. »KANNST DU NICHT SEHEN? ICH BIN ES!!!«
Aber Dragosani wartete nicht. Er wusste, wer und was das Monster war, und er wusste auch, welches der einzige echte Weg war, an das Wissen und die Kräfte des Vampirs zu kommen: als Nekromant. Welch eine wunderbare Ironie darin lag, denn Thibor selbst hatte ihm dieses Geschenk gemacht! »Stirb, du Ausgeburt der Hölle!«, knurrte Dragosani, und die Sichel verschwamm zu einer stählernen Schliere, als sie den Kopf des Ungeheuers vom Rumpf trennte.
Der furchtbare Kopf sprang empor, fiel herab, prallte vom Boden ab. Noch während er rollte, schrie er: »NARR! VERDAMMTER NARR!« Dann schlossen sich die scharlachroten Augen. Das Maul öffnete sich ein letztes Mal, und ein Klumpen rot gefärbten Schleims trat aus – und ein letztes Wort, ein bloßes Flüstern: » Narr!«
Dragosani antwortete darauf, indem er mit der Sichel ein zweites Mal ausholte und den Kopf wie eine große graue, überreife Melone in zwei Teile spaltete. Im Schädel lag das Gehirn wie eine matschige Masse mit einem pulsierenden Zentrum: Im Grunde waren es zwei Gehirne, eines menschlich und verschrumpelt, und das andere – fremdartig. Das Gehirn des Vampirs. Ohne Furcht und ohne noch weiter zu warten, griff Dragosani, der zur Abwechslung einmal ganz genau wusste, was er tat, tief in die beiden Hälften der Schädelhöhle und befühlte mit zitternden Fingern die stinkenden Flüssigkeiten und schmierigen Substanzen. Alle Geheimnisse und Legenden der Wamphyri lagen hier, genau hier, und warteten nur darauf, dass er sie aufspürte. Ja! Ja!
Die Gehirne verfaulten, holten die Verwesung und den Verfall von Jahrhunderten auf ... aber Dragosanis nekromantisches Talent spürte in den Säften des zerfallenden Gehirns bereits den Geheimnissen des untoten (nunmehr gänzlich toten) Monsters hinterher. Die Augen, die grau wie Steine waren, quollen auf obszöne Weise aus dem Schädel, Dragosani hielt sich die Schweinerei vor sein Gesicht – aber es war zu spät! Direkt vor seinen aufgeregten Augen verrottete alles, ging in Dampf auf, rieselte in Strömen von Staub durch seine zuckenden Finger. Selbst der missgebildete Schädel verwandelte sich in seinen Händen zu Staub.
Mit einem angsterfüllten Schrei und herumwirbelnden Armen, wie eine außer Kontrolle geratene Windmühle, drehte sich Dragosani herum und stürzte sich hektisch auf den kopflosen Körper des Vampirs, der noch immer aufrecht aus der Gruft ragte. Der durchtrennte Hals begann zu dampfen und sackte in die schuppige Brust, die ihrerseits in den in der Erde verborgenen Rumpf sank. Noch während der Nekromant seine Hände und Arme in das Loch hinabstreckte, hinein in die Fäulnis und den beißenden Gestank, würgte die Erde eine große Wolke aus giftigen Gasen heraus und stürzte dann über dem nun beinahe verflüssigten Kadaver zusammen.
Dragosani heulte auf; er zog seine Arme aus dieser Senkgrube und kroch fort von dem bebenden, würgenden Loch, während der Untergrund rasch zur Ruhe kam. Am Rande des Kreises legte er eine Pause ein, sein Kopf schlaff herabhängend, seine Schultern eingefallen, und schluchzte lange und qualvoll seine Enttäuschung heraus.
Atemlos und bis ins Mark erschüttert von dem, was er miterlebt hatte, beobachtete Max Batu den Nekromanten noch ein wenig und trat dann
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