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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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augenscheinlich gern plauderte, zu Nechludoff. »Glücklicherweise ist der »Hauptmann« noch ein braver Mann und hält sich nicht an das Gefängnisreglement. Anderswo ist es ein wahres Martyrium, das sagt jeder.«
    »Werden diese Besuche denn in den anderen Gefängnissen nicht in derselben Weise abgehalten?«
    »Ach, nichts dergleichen; man kann die politischen Gefangenen höchstens durch zwei Gitter sehen, genau so, wie die schweren Verbrecher.«
    Am Fuße der Treppe wurde Nechludoff durch den Direktor von seinem Begleiter getrennt; der Beamte nahm ihn beiseite und sagte zu ihm mit seiner müden Stimme:
    »Sie können die Maslow also morgen sehen, wenn Sie wollen, Fürst!«
    »Besten Dank!« versetzte Nechludoff und verließ das Gefängnis. Er empfand ein noch stärkeres Gefühl des Widerwillens und des Schreckens, als er es am vorigen Sonntag empfunden, da er die Korridore des Gefängnisses zum erstenmale betrat.

Siebzehntes Kapitel
    Am nächsten Morgen begab sich Nechludoff zu dem Advokaten Fajnitzin, setzte ihm Mentschoffs Lage auseinander und bat ihn, die Sache in die Hand zu nehmen. Der Advokat erwiderte ihm, er würde die Akten prüfen, und wenn die Sache sich wirklich so abgespielt hatte, wie Mentschoff sagte, so würde er die Angelegenheit nicht nur übernehmen, sondern sie sogar unentgeltlich durchführen. Nechludoff erzählte ihm dann von den dreihundertdreißig Steinsetzern, die man wegen ihrer nicht visierten Pässe im Gefängnis behielt. Er wollte wissen, von wem die Sache abhinge, und wer dafür verantwortlich zu machen wäre.
    Fajnitzin dachte einen Augenblick nach und erwiderte dann:
    »Wer dafür verantwortlich ist? Niemand! Wenden Sie sich an den Staatsanwalt, er wird alles auf den Gouverneur schieben. Fragen Sie den Gouverneur, er wird erklären, der Staatsanwalt wäre allein verantwortlich.«
    »Ich werde noch heut' zu Maslinnikoff gehen, um ihn von allem in Kenntnis zu setzen.«
    »Ah bah, da verlieren Sie Ihre Zeit, Er ist – aber Verzeihung, er ist doch weder Ihr Verwandter, noch Ihr Freund, nicht wahr? – Er ist – verzeihen Sie das Wort – ein solcher Kretin und eine solche Kanaille!«
    Nechludoff erinnerte sich, in welchen Ausdrücken Maslinnikoff ihm von dem Advokaten gesprochen. Er erwiderte nichts und nahm Abschied.
    Nachmittags begab er sich zu dem Vizegouverneur, den er um zweierlei zu bitten hatte: erstens um die Versetzung der Maslow zum Krankendienst, und um die Freilassung der grundlos in Haft genommenen hundertdreißig Steinsetzer.
    Als er sich Maslinnikoffs Hause näherte, sah er, daß der Hof voller Equipagen, Kaleschen, Coupés und Karossen stand, und erinnerte sich entsetzt, daß es ja der »Jour« der Frau Maslinnikoff war, zu dem der Gatte der Dame ihn so eifrig eingeladen hatte. Unter den im Hofe wartenden Wagen bemerkte Nechludoff den Landauer der Kortschagins. Der alte, dicke, rotbäckige Kutscher nahm, als er ihn bemerkte, seinen Hut ab und lächelte ihm halb unterwürfig und halb vertraulich zu.
    Nechludoff hatte den Portier kaum gefragt, ob Michael Iwanowitsch zu Hause wäre, als dieser in Person oben auf der Treppe erschien. Er geleitete einen Gast, in welchem Nechludoff einen der höchsten Würdenträger der Regierung erkannte. Er unterhielt sich, während er die Treppe hinunterstieg, französisch mit Maslinnikoff, und zwar von lebenden Bildern, die man zum Besten einer wohlthätigen Stiftung zu veranstalten beabsichtigte. Er meinte, das wäre eine ausgezeichnete Beschäftigung für die Damen. »Sie amüsieren sich, und das Geld regnet nur so!«
    »Sieh da! Da ist ja der brave Nechludoff,« rief er, seine Moralergüsse plötzlich unterbrechend. »Wie lange hat man Sie nicht gesehen! – Allez vite présenter vos devoirs à ces dames ! Die Kortschagins sind schon oben. El Nadine Bucksheyden aussi! Toutes les jolies femmes de la ville vous attendent, heureux gaillard !« fügte er hinzu. » Au revoir, mon cher !«
    Er schüttelte Maslinnikoff zum letztenmale die Hand.
    »Gehen wir schnell in den Salon! Ich bin entzückt, Sie zu sehen,« sagte dieser mit exaltierter Miene zu Nechludoff, packte ihn dann beim Arm, lief trotz seiner Korpulenz mit der Behendigkeit eines Jünglings und zog ihn die Treppe entlang. Den ernsthaften Ausdruck auf Nechludoffs Gesicht sah er nicht, hörte nicht auf ihn und schleppte ihn fröhlich nach dem Salon. Es war unmöglich, ihm zu widerstreben oder sich zu entschuldigen, und Nechludoff mußte ihm folgen.
    »Von Geschäften sprechen wir

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