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Auferstehung 2. Band (German Edition)

Auferstehung 2. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 2. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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»Tu glaubst nicht, wie komisch der ist, wenn er einmal im Zuge ist!«
    »Was die andere Sache betrifft, über die ich mit dir zu sprechen habe,« fuhr Nechludoff fort, »so befindet sich augenblicklich ein Zug von hundertdreißig Arbeitern im Gefängnis, die man hinter Schloß und Riegel behält, nur weil ihre Pässe abgelaufen sind. Seit über einen Monat sind sie hier.«
    »Wie hast du denn das erfahren?« fragte Maslinnikoff, und sein Gesicht hatte, plötzlich einen Ausdruck der Unruhe und Unzufriedenheit angenommen.
    »Ich wollte einen Verurteilten sprechen, und als ich durch den Korridor schritt, haben diese Unglücklichen mich gebeten...«
    »Und wer war der Verurteilte, den du aufsuchtest?«
    »Ein fälschlich der Brandstiftung angeklagter Bauer, für den ich einen Verteidiger gesucht habe. Doch ich will von dir wissen, ob diese hundertdreißig Arbeiter wirklich nichts weiter verbrochen haben, als daß ihre Pässe nicht in Ordnung sind, und in diesem Falle ...«
    »Das geht den Staatsanwalt an!« unterbrach Maslinnikoff in ärgerlichem Tone, »Dafür wird er ja bezahlt. Aber er thut nichts, er spielt Whist!«
    »Du kannst also nichts dazu thun?« fragte Nechludoff.
    »Wie? Ob ich nichts dazu thun kann? Aber gewiß! Ich werde sofort eine Untersuchung einleiten, aber wir wollen jetzt wieder zu den Damen gehen!«
    Doch Nechludoff hielt ihn auf der Thürschwelle zurück.
    »Man hat mir neulich im Gefängnisse gesagt, zwei Gefangene wären gepeitscht worden, ist das wahr?«
    Maslinnikoff wurde ganz rot.
    »Ach, man hat dir das gesagt? Nein, mein Lieber, man darf dich wirklich nicht deine Nase in alles stecken lassen! Das geht dich alles nichts an! Aber komm' jetzt, Annette ruft uns!«
    Damit nahm er ihn und zog ihn nach dem Salon, doch Nechludoff machte sich los, durchschritt den Raum und ging die Treppe hinunter.
    »Was hat er denn?« fragte Annette ihren Gatten.
    »Ah bah; er ist ein Original und war stets so!«
     
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    Am nächsten Tage erhielt Nechludoff vom Vizegouverneur einen Brief, in welchem Maslinnikoff ihm mitteilte, er hätte sich erkundigt, ob es möglich wäre, die Maslow zum Krankendienste zu versetzen; die Sache ließe sich machen. Unter die Unterschrift hatte Maslinnikoff geschrieben: »Dein alter Kamerad, der dich trotzdem sehr lieb hat.«
    »Dieser Dummkopf!« sagte sich Nechludoff, von der Vertraulichkeit dieses unangenehmen »Kameraden« angewidert.

Achtzehntes Kapitel
    Am Tage nach seinem Besuche bei Maslinnikoff kehrte Nechludoff ins Gefängnis zurück, um Katuscha wiederzusehen. Der Direktor gestattete ihm, sie zu sehen, aber im Frauensprechzimmer, nicht mehr im Bureau, und auch nicht in dem kleinen Advokatenzimmer, wo die letzte Zusammenkunft stattgefunden hatte.
    »Ja, Sie können sie einen Augenblick sehen,« sagte der Direktor, »aber was das Geld betrifft, so werden Sie sich an meine Worte erinnern, nicht wahr? ... Was ihre Versetzung zum Krankendienst anbelangt – Se. Excellenz der Vicegouverneur hat mir die Ehre erwiesen, mir darüber zu schreiben, so ist die Sache möglich, und der Arzt willigt ein. Doch sie selbst will es nicht! Sie sagt, »sie habe nicht nötig, den Aussätzigen die Nachttöpfe auszuleeren«. Ach, Fürst, man sieht, Sie kennen diese Sorte nicht!«
    Nechludoff antwortete nicht und ging nach dem Frauensprechzimmer, Der Direktor gab einem Aufseher den Befehl, die Maslow zu holen. Das Sprechzimmer war leer, als Nechludoff dasselbe betrat; doch kaum befand er sich einige Minuten dort, als sich die Thür öffnete und die Maslow schüchtern und schweigsam auf ihn zutrat. Sie schüttelte ihm die Hand, setzte sich neben ihn und sagte, ohne ihn anzusehen, fast leise:
    »Verzeihen Sie mir, Dimitri Iwanowitsch! Ich habe vor drei Tagen recht schlecht zu Ihnen gesprochen!«
    »Nicht an mir ist es, zu verzeihen,« begann Nechludoff.
    »Aber trotzdem müssen Sie mich verlassen,« fuhr sie fort.
    »Weshalb soll ich Sie verlassen?«
    »Es muß sein, das ist alles!«
    »Wie, das ist alles?«
    »Nun denn,« sagte sie endlich; »Sie müssen aufhören, sich um mich zu kümmern; ich sage es Ihnen, wie ich es denke! Ich kann es nicht ertragen! Sie werden aufhören, sich um mich zu kümmern,« fuhr sie mit bebenden Lippen fort. »Das ist die reine Wahrheit! Lieber hänge ich mich auf!«
    »Katuscha,« versetzte er in ernstem und festem Tone; »was ich gesagt, erhalte ich aufrecht! Ich bitte dich, verheirate dich doch mit mir! Wenn du dich weigerst, so werde ich doch bei dir

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