Auferstehung 4. Band (German Edition)
euch nicht hören; ich gehe!« sagte Marie Pawlowna.
»Im Gegenteil, du würdest mir ein Vergnügen bereiten, wenn du bleibst,« sagte Simonson. »Ich habe vor niemandem Geheimnisse, namentlich aber nicht vor dir!«
»Gut, wie du willst,« sagte Maria Pawlowna, setzte sich mit ihren kindlich-anmutigen Bewegungen auf eines der Betten und schickte sich an, die Unterhaltung der beiden Männer anzuhören.
»Die Sache, von der ich mit Ihnen sprechen will, besteht in folgendem,« wiederholte Simonson. »Da ich Ihre Beziehungen zu Katharina Maslow kenne, so hielt ich mich für verpflichtet, Sie von meinen eigenen Beziehungen zu ihr in Kenntnis zu setzen.«
»Was heißt das?« fragte Nechludoff, von heftigem Schrecken ergriffen.
»Das heißt, ich möchte mich mit Katharina Michaelowna verheiraten ...«
»Wirklich?« rief Maria Pawlowna, indem sie ihre schönen, blauen Augen auf Simonson richtete.
»Und ich habe mich entschlossen, sie zu fragen, ob sie mein Weib werden will,« fuhr Simonson fort.
»Was kann ich dazu thun? Das hängt nur von ihr ab,« erklärte Nechludoff trocken.
»Ja, aber ich weiß, daß sie mir nicht ohne Ihre Erlaubnis antworten wird.«
»Und warum?«
»Weil Katharina Michaelowna, so lange die Frage ihrer Beziehungen zu Ihnen nicht gelöst ist, keinen Entschluß fassen wird.«
»Was mich angeht,« versetzte Nechludoff, »so ist die Frage vollständig gelöst. Ich habe thun wollen, was ich für meine Pflicht hielt, und habe auch versucht, die Lage der Maslow so viel wie möglich zu lindern, doch um keinen Preis möchte ich mich ihr aufdrängen oder sie in ihren Entschlüssen beeinflussen.«
»Gewiß, aber sie will Ihr Opfer nicht.«
»Es handelt sich um kein Opfer.«
»Ich weiß, ihr Entschluß ist in diesem Punkte unerschütterlich!«
»Aber wozu unterhalten Sie sich dann mit mir?« fragte Nechludoff.
»Sie sollen mir das Zugeständnis machen, daß Sie sich nicht mehr mit ihr beschäftigen werden.«
»Wie kann ich Ihnen versprechen, daß ich das nicht mehr thun werde, was ich für meine Pflicht halte? Ich kann ihr nur das eine sagen: obwohl ich ihr gegenüber nicht frei bin, so ist sie doch mir gegenüber vollkommen frei!«
Simonson blieb einige Augenblicke nachdenklich sitzen, ohne ein Wort zu erwidern.
»Gut,« fuhr er fort, »ich werde ihr das sagen. Aber glauben Sie nicht etwa, daß ich in sie verliebt bin! Ich liebe sie, wie ich eine Schwester lieben würde, eine Freundin, die viel gelitten hat, und die ich trösten möchte. Ich verlange nichts von ihr, nichts; ich will ihr nur hilfreich zur Seite stehen, ihre Lage lindern ...«
Trotz der Aufregung, die sich seiner selbst bemächtigt hatte, fühlte Nechludoff, wie Simonsons Stimme heftig zitterte.
»Ihre Lage lindern,« fuhr Simonson fort. »Sie will Ihre Hilfe nicht annehmen, aber vielleicht wäre sie geneigt, die meine anzunehmen. Wenn sie einwilligt, so werde ich ein Gesuch einreichen, in die Stadt verschickt zu werden, in der sie ihre Strafe abbüßt. Vier Jahre sind schnell vorüber! Ich werde bei ihr leben, und vielleicht wird es mir gelingen, ihr Leben weniger schwer zu gestalten ...«
Von neuem hielt er inne, denn er war dem Weinen nahe.
»Was soll ich Ihnen sagen« versetzte Nechludoff, »Ich bin glücklich, daß sie einen Beschützer wie Sie gefunden hat ...«
»Ach, das wollte ich nur wissen,« rief Simonson. »Ich wollte wissen, ob Sie, wenn Sie meine Gefühle für Katharina Michaelowna kennen, wenn Sie wissen, wie sehr ich ihr Wohl im Auge habe, eine Heirat mit mir als ein Glück für sie ansehen würden?«
»Ja, das würde ich,« versetzte Nechludoff in entschlossenem Tone.
»An sie allein denke ich! Ich wünsche nur, diese leidende Seele möge ein wenig Ruhe finden!« sagte Simonson, indem er Nechludoff mit einem so demütigen, so flehentlichen Blicke ansah, wie man ihn bei einem gewöhnlich so zurückhaltenden und düstern Manne nie erwartet hätte.
Dann näherte er sich Nechludoff plötzlich, ergriff seine Hand, lächelte ihm schüchtern zu und küßte ihn auf die Wangen.
»Ich werde ihr das alles sagen; ich werde ihr das alles sagen,« erklärte er und verließ das Zimmer.
Vierzehntes Kapitel
»Nun!« sagte Maria Pawlowna, als Simonson hinausgegangen war, »da haben Sie's! Er ist verliebt, wahnsinnig verliebt! Wer hätte das erwartet, daß Wladimir Simonson sich wie der erste beste Gymnasiast verlieben würde? Das ist unglaublich! Und ich muß sogar sagen, daß es mich ein bißchen ärgert,« fügte
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