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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Haare, helle Haut. Durchsichtige Sommersprossen.
    Die Lehrerin hat ihm eine gute Stunde lang mehr oder weniger interessante Geschichten über die Elfi erzählt, also die Clare. Mehr oder weniger interessant, weil der Brenner hat nicht genau gewußt, wie interessant. Er hat ja die meiste Zeit gar nicht richtig zugehört. Schon auf ihren Mund geschaut, wie sie geredet hat, aber wie gesagt.
    Kurz vor acht ist der Brenner zur Engljähringer gekommen. Und jetzt ist es schon neun vorbei gewesen. Draußen schon stockfinster.
    «Trinken Sie noch ein Glas?» sagt die Lehrerin Engljähringer. Sie lächelt aufmunternd. Es ist aber jetzt schon sein drittes gewesen. Und ihr drittes. Vielleicht ein gutes Zeichen, hat sich der Brenner gedacht.
    «Sie wissen ja, daß die Leute reden, die Clare sei, wie sagen sie hier doch so nett? Ein Nebenzu», sagt die Lehrerin.
    «Ein Nebenzu?»
    «Ein illegitimes Kind des Vergolders.»
    Jetzt aber. Ein Nebenzu. Der Brenner hat sich nichts anmerken lassen. Nur daß er sich jetzt gleich selber einen Amaretto einschenkt:
    «Der scheint ja überall —»
    Jetzt hat er gemerkt, daß er schon eine ziemlich schwere Zunge hat. Weil er hat ja schon vorher im
Feinschmeck
ein Bier getrunken.
    «Der scheint ja überall – hat der irgendwie seine Finger im Spiel.»
    Neun Uhr sieben ist es gewesen. Der Brenner hat natürlich nicht auf seine Uhr geschaut. Weil womöglich fragt ihn dann die Engljähringer, ob er gehen möchte. Aber auf dem Videorecorder hinter der Engljähringer hat er gesehen, daß es neun Uhr sieben ist. Jetzt, in der nächsten Viertelstunde muß was passieren, so oder so.
    Und ausgerechnet da hat ihn die Äußerung über den Vergolder aus dem Konzept gebracht. Hat er an den Vergolder denken müssen statt an die Engljähringer. Der hat ja überall seine Finger im Spiel, hat er denken müssen. Aber die Engljähringer muß es bemerkt haben, daß der Brenner ein Problem hat, weil sie hat ihn jetzt so nett angelächelt. Oder ist es dem Brenner auch nur wegen der vier oder fünf Amaretto-Schnäpse so vorgekommen.
    «Sie könnten bei der Perlweiß-Reklame mittun», sagt er jetzt.
    Aber kurz vorher hat man gehört, wie ein Auto vor dem Haus geparkt hat, und jetzt läutet es bei der Engljähringer an der Tür.
    «Das ist nur mein Freund», sagt die Lehrerin Engljähringer. Sie hat dunkle Haare gehabt, eine weiße Haut mit durchsichtigen Sommersprossen und blaue Augen mit weißen Punkten drin, ungefähr wie in den bayrischen Tischdecken.
    Nur ihr Freund.
    Der Brenner hat das als schlechtes Zeichen gewertet. Und auf einmal, wie die Engljähringer in den Vorraum hinausgeht, um ihren Freund hereinzulassen, bekommt der Brenner eine richtig panische Angst. Vielleicht ist es auch von den Amaretto-Schnäpsen gekommen. Fürchtet der Brenner auf einmal, daß das der Vergolder ist. Daß sich der auch noch als der Liebhaber von der Engljähringer herausstellt.
    Etwas Schlimmeres hat sich der Brenner in dem Moment überhaupt nicht vorstellen können. Aber es ist dann doch noch schlimmer gekommen.
    Er hat schon die Stimme des Freundes gehört, aber er hat sie nicht erkannt. Und dann hat er gehört, wie ihm die Lehrerin einen Begrüßungskuß gibt. Und dann ist er hereingekommen. Und dann ist es der Lokalreporter Mandl gewesen. Aber der Brenner hat sich mit aller Gewalt beherrscht, daß er nicht vor Wut laut schnaufen muß.
     

8
    Während der Brenner am nächsten Morgen die schmale Bergstraße zum Vergolder hinaufgeht, ist er mit den Gedanken immer noch beim Mandl: Wie ihm dem Mandl seine Krawatte noch grüner vorgekommen ist als voriges Mal. Obwohl zu dem Zeitpunkt schon nur mehr zwei Kerzen im Wohnzimmer von der Engljähringer gebrannt haben. Und das muß mit dem roten Kopf vom Mandl zusammengehängt sein, weil Rot und Grün, das ist natürlich ein schöner Kontrast.
    «Du hast hier nichts zu suchen!» hat der Mandl geschrien. Und der Brenner sagt leise: «Ich suche überall, Mandl.»
    «Du suchst überall. Aber du findest nichts.»
    «Weißt du, was ich finde? Daß du den Mund halten sollst.»
    «Ah, den Mund. Schon wieder einmal den Mund halten. Sag dem Vergolder einen schönen Gruß, daß ich die längste Zeit den Mund gehalten habe. Wieso du bei der Kripo hinausgeflogen bist.»
    Die Lehrerin hat sich bemüht, quasi um Schadensbegrenzung. Sie hat versucht, den Mandl zu beruhigen. Aber da ist es schon heraußen gewesen. Und jetzt, auf dem Weg zum Vergolder, hat der Brenner sich immer noch keinen richtigen

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