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Auferstehung der Toten

Auferstehung der Toten

Titel: Auferstehung der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Schloß hineinführt, sind es immer noch mehr Antikmöbel geworden. Dem Brenner ist es schon fast zuviel geworden. Der hat dazuschauen müssen, daß er dem Vergolder überhaupt nachkommt, weil überall, wo er hingestiegen ist, ist eine Madonna gestanden oder ein Heiliger, hat er aufpassen müssen, daß er nicht einen zusammensteigt.
    Jetzt mußt du wissen, daß der Brenner einen furchtbar schlechten Orientierungssinn hat. Und das nach zwanzig Jahren Polizei. Da möchte man meinen, das lernt man, aber nichts zu machen. Der hat schon normal nach zwei Kurven nicht mehr gewußt, wo er ist, also Himmelsrichtungen ganz zu schweigen. Und wie ihn da der Vergolder durch ein paar Gänge und über zwei, drei Stiegen voller Antiquitäten schleppt, verliert er natürlich sofort die Orientierung.
    Aber dann hat er gleich wieder gewußt, wo er ist. Weil das Wohnzimmer hat ein Fenster gehabt, das war allein so groß wie eine ganze Buwog-Wohnung. Und da hat der Detektiv den Zeller See und überhaupt ganz Zell unter sich gesehen, also prächtig, das muß man schon zugeben.
    Und da hat er sich gleich wieder ausgekannt. Auf der anderen Seite sieht er den Glockner, die Stauseen selber nicht, aber direkt neben der Moosersperre sieht er etwas in der Sonne blitzen, und das ist die Seilbahnstation Heidnische Kirche gewesen.
    «Setzen Sie sich doch!» sagt der Vergolder.
    Aber auch das Wohnzimmer, oder sagen wir, der Wohnsaal, ist vollkommen mit Antikmöbeln vollgestopft gewesen. Und deshalb hat der Brenner erst recht wieder nicht gewußt, wo soll ich mich jetzt hinsetzen.
    Statt dessen geht er zum Fenster, dreht dem Vergolder den Rücken zu, weil er aus dem Fenster schaut. Vielleicht nur, damit er nicht dauernd den Haufen Antikmöbel anschauen muß, der ihm richtiggehende Beklemmungen gemacht hat. Und während er aus dem Fenster schaut, sagt er:
    «Mit dem falschen Alibi, das Sie der Polizei gegeben haben, haben Sie doch nicht sich selbst in Schutz nehmen wollen?»
    «Setzen Sie sich doch!» sagt der Vergolder.
    Aber der Brenner ist nicht darauf eingegangen, sondern hat immer noch aus dem Panoramafenster geschaut – wieso das Denkmalamt den Einbau erlaubt hat, frag mich bitte nicht. Er hat sich erst umgedreht, wie das Dienstmädchen den Tee hereinbringt. Ein schmächtiges, vielleicht sechzehnjähriges Mädchen, das er in Zell schon ein paarmal gesehen hat. Jetzt, solange das Dienstmädchen herinnen gewesen ist, hat der Vergolder einen harmlosen Ton angeschlagen:
    «Eine tragische Geschichte, der Tod meiner Schwiegereltern. Aber wissen Sie, womit ich mich tröste? Sie haben sich beim Schifahren kennengelernt. 1929 beim Schiurlaub in Vermont. Und sie sind im Schilift gemeinsam gestorben. Und ich denke mir dann: Vielleicht hat es so sein sollen, damit tröste ich mich dann.»
    Der Vergolder hat sich eine Zigarette angezündet, und da hat sich der Brenner gedacht, interessant, seit ich es mir abgewöhnt habe, habe ich nur mehr mit Leuten zu tun, die ununterbrochen rauchen. Er hat darauf gewartet, daß der Vergolder zu der Anschuldigung etwas sagt. Aber der hat, sobald das Mädchen draußen war, nur wieder seinen Jugendtrainerblick aufgesetzt und gesagt:
    «Wieso sind Sie eigentlich nicht mehr bei der Kripo?»
    Aber nicht, daß du jetzt glaubst, das ist eine Frage gewesen. Sondern das hat sich mehr wie eine Antwort angehört. Und das ist es natürlich auch gewesen. Weil der Vergolder hat ja genau gewußt, wieso der Brenner nicht mehr bei der Kripo gewesen ist. Genau so, wie der Brenner die Antwort auf seine eigene Frage schon gewußt hat, also wieso falsches Alibi.
    In Wahrheit hat ja den Brenner jetzt eine ganz andere Frage beschäftigt. Der hat sich die ganze Zeit gefragt, was ihn an dem braungebrannten Millionärsgesicht so irritiert. Nicht etwas Fremdes, sondern etwas Vertrautes, vielleicht doch eine unmerkliche Ähnlichkeit mit seinem Neffen Lorenz.
    «Ihr Alibi, die Geschichte mit dem Lorenz. Die haben Sie uns doch nicht aufgebunden, um sich zu schützen, sondern um den Lorenz zu schützen.»
    Der Vergolder hat einen eigenartigen Blick gehabt, wie einer, der nur kurz seine Brille abgenommen hat und jetzt nicht viel sieht. Irgendwie ist dem Brenner vorgekommen, diese kurzsichtigen Augen passen nicht zu seinem Millionärsgesicht. Aber Augen, das ist die reinste Übertreibung. Nur Schlitze sind das gewesen, wenn du da die Augenfarbe erraten willst, keine Chance.
    Und die ganze Zeit ist er sich so mit den Zeigefingern über die Lider gefahren,

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