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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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tun?
Wahrscheinlich ist er bereits tot!
    Dannys Flehen hallte ihm in den
Ohren. Er presste die Fäuste dagegen, schüttelte den Kopf und stapfte weiter.
    Einen Großteil seines Lebens hatte
Jim in den Bergen um Lewisburg Wild und Truthähne gejagt. Durch eine tiefe
Senke und über zwei Bergrücken lag White Sulphur Springs etwa fünf oder sechs
Meilen entfernt. Sobald er dort eintraf, würde er sich besser bewaffnen, ein
Gewehr als Ersatz für jenes suchen, das er an Mr. Thompson verloren hatte, und
weiterziehen. Sofern ihm Schwierigkeiten erspart blieben, würde er es bis zum
Morgengrauen nach White Sulphur Springs schaffen.
    Bis dahin musste er sich einen
Plan ausgedacht haben.
    Jim ging weiter und wurde von den
Schatten zwischen den Bäumen verschluckt.
    Hoch über ihm krächzte ein Kauz
seinen einsamen Ruf.
    Jims Großmutter hatte immer
behauptet, wenn man nachts einen Kauz hörte, würde jemand sterben, dem man
nahestand.
    Wieder krächzte der Vogel, und Jim
erstarrte. Das Tier kauerte plötzlich unmittelbar vor ihm.
    Und es lebte.
    Es trällerte ihm zu und spreizte
die Flügel.
    »Schön zu wissen, dass ich nicht
der Einzige bin«, flüsterte er. »Ich wünschte, ich hätte deine Flügel.«
    Der Vogel erhob sich in die Lüfte
und verschwand in der Dunkelheit. Jim marschierte weiter.
    VIER
    Der alte Mann saß auf der Parkbank
und futterte die Tauben.
    Ihre aufgedunsenen Leiber
umschwirrten ihn. Frankie beobachtete von der Sicherheit der Toiletten aus, wie
die toten Vögel sich an ihm gütlich taten. Eine Taube, der ein Augapfel aus der
Höhle baumelte, schnellte im Sturzflug herab und fiel ihrerseits über das linke
Auge des alten Mannes her. Schnappende, messerscharfe Schnäbel rissen ihm
Fleischfetzen aus dem Gesicht. Der alte Mann schrie nicht.
    Mit eherner Ruhe saß er da und
schien gar nicht wahrzunehmen, was geschah. Geistesabwesend wischte er sich
über die Seite seines Kopfes. Die verstümmelten Überreste seines rechten Ohrs
besudelten seinen weißen Kragen.
    »Verfluchte Moskitos«, hörte sie
ihn brummen. Eine Taube machte sich über das verlockende Angebot seiner Zunge
her. Als der Schnabel zuschnappte und ein kleines Stück Fleisch herausriss,
floss dem Mann Blut in den Mund.
    »Fliegt! Verpisst euch!«, rief er
und schlug im Sitzen mit den Armen. Die Tauben rings um ihn stoben auf und
umkreisten ihn. Kaum war er zurückgesunken, ließen sie sich wieder auf ihm
nieder. »Verdammter Irrer«, murmelte Frankie zähneknirschend. Der alte Mann
bewegte sich unter dem Ansturm der Schnäbel weiter. Er wand sich und lachte,
als würde er gekitzelt.
    Sie begann wieder zu zittern,
wenngleich sie nicht zu sagen vermochte, ob vor Abscheu, Entzugserscheinungen
oder Furcht. Die Sucht rief nach ihr. Die über ihre zierlichen Arme verteilten
Schorfe juckten, und drei stumpfe, eingerissene Fingernägel kratzten sie, ohne
zu zögern. Sie brauchte einen Schuss. Sie brauchte Smack. Unbedingt.
    Durch die Sucht war sie hier im
Zoo von Baltimore gelandet. Aus dem Regen in die Traufe.
    T-Bone, Horn Dawg und die anderen mussten gesehen haben, wie sie über den Zaun geklettert war. Die Frage
lautete: Würden sie ihr folgen? Oder würden sie es dabei bewenden lassen, auf
dass sie in Frieden ruhen konnte? Ruhen?
    Ja, ruhen. Von der Rennerei durch
die ganze Stadt. Für immer ruhen. In Frieden.
    Frankie glaubte durchaus, dass sie
hier, in einer Herrentoilette, sterben könnte, während draußen tote, hungrige
Tiere umherstreiften und ihr eine Bande stinksaurer Drogenhändler auf den Fersen
war, die das Tütchen Stoff wollte, das sie nun bei sich hatte. Der Straßenwert
dieses bestimmten Tütchens war in kosmische Höhen geschnellt, weil es keine
weiteren mehr geben würde.
    Leider war sie mittlerweile beim
letzten Rest angelangt. Irgendwie glaubte Frankie kaum, dass T-Bone und der
Rest sich freuen würden, das zu hören.
    Inzwischen war der alte Mann
verstummt. Vorsichtig spähte Frankie zur Tür hinaus. Sein schwarzer Anzug hatte
sich in eine rötliche, bebende Masse freiliegender Muskeln und Nervenenden
verwandelt. Trotzdem hob und senkte seine Brust sich noch immer. Das Leben, das
ihm seine Eltern geschenkt hatten, dauerte hartnäckig an. Kampflos wollte es
nicht verlöschen.
    Doch der Tod war stärker.
    Und geduldig.
    Frankie beobachtete, wie er starb,
und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis er auferstand.
    Ihre Arme brüllten. Ihre
Eingeweide krampften sich zusammen. Schmerzlich spürte sie das hohle Gefühl
darin.

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