Aufgebügelt: Roman (German Edition)
hat sie angerufen, um Bescheid zu sagen. Da ich meine Reise planen muss, ist es mir sogar ganz recht. Ich werde von Tag zu Tag inkonsequenter. Kein Wunder, dass meine Kinder mich nicht wirklich ernst nehmen. Ich kann mich an den meisten Tagen nicht mal mehr selbst ernst nehmen! Auch Rudi verlässt das Haus.
»Mer gehe zur Irene. Isch bleib über Nacht, wenn’s der recht is?«, holt er meine Erlaubnis ein. Wenigstens einer, der das tut!
»Rudi, du musst mich doch nicht fragen, du bist erwachsen!«, lache ich.
»Ei ja, wenn was wesche der Kinner is oder so, gell, da hast du immer Priorität, des weist de, odä?«
Ich weiß es und nutze die Gunst der Stunde, um ihn wegen meines »Wellnessaufenthalts« am Freitag und Samstag zu fragen.
»Freitach is gar kein Thema, rund um die Uhr, auch nachts, abä der Samstag is e bissche schwierisch, mer sin uff de Garteschow in Kassel, die Irene un isch, da habe mer schon Karte, un isch kann mer net vorstelle, dess die Kinner da mitwolle.«
Das kann ich mir allerdings auch nicht vorstellen. Ihr Gartenbedürfnis ist nach unserem herrlichen Schrebergartenausflug sicherlich gedeckt.
Natürlich sind »die Kinner« auch alt genug, um mal einen Samstag allein zu verbringen, und im Normalfall hätte ich mir darüber auch keinerlei Gedanken gemacht. Warum auch? Claudia würde mit Gustav Johannes abhängen, und Mark würde einfach nur abhängen und ein bisschen am Computer daddeln. Nach meinen gestrigen Erfahrungen allerdings sorge ich mich, dass Mark kiffkotzend irgendwo Büsche verziert. Ich glaube, der braucht ein bisschen mehr an Kontrolle. Das schreit ja geradezu nach einem Vater-Sohn-Samstag, denke ich. Christoph hat ja jetzt Miezi pur gehabt, da sollte das wohl mal drin sein.
»Zur Not lass isch des aach sause mit der Garteshow, mer sin dir ja weiß Gott was schuldisch!«, bietet mir Rudi an.
»Nein, Rudi, dein Sohn kann sich auch mal kümmern. Fahrt ihr zwei nur. Aber denkt immer dran, schön auf die Schlüssel aufpassen. Nicht immer ist eine rettende Sackkarre in der Nähe!«
Irene grinst, und Rudi lacht verschämt. »Da brauchst de dir kaane Sorge zu mache, mit dem Kram bin isch dörsch. Des hat mer för mein Lebtach gelangt, den annern Kram bring isch in den Laden zurück!«
Irene zuckt zusammen, und mir läuft ein Schauer über den Rücken. Welcher andere Kram? Welcher Laden?
Ich verabschiede die zwei und mache es mir mit ein paar Broten vor dem Computer bequem. Abflüge Freitagmorgen zwischen 8.50 und 9.00 Uhr: Warschau-Okecie, Istanbul, Venedig, Nürnberg, Riad und Birmingham.
Nürnberg sortiere ich gedanklich aus. Man fliegt doch nicht von Frankfurt nach Nürnberg. Das wäre doch lächerlich. Da ist man mit dem Auto doch definitiv schneller. Und wenn Nürnberg eine Metropole wäre, dann hätte ich das sicher auch schon mal gehört.
Riad kann ich mir auch nicht vorstellen. Riad ist die Hauptstadt von Saudi-Arabien und im Moment, Ende Juni, herrschen (wie ich dank Internet schnell herausfinde) dort Temperaturen bis 43 Grad. Dass Rakete einen Kurztrip nach Riad gebucht hat, halte ich eigentlich für nahezu ausgeschlossen. So oder so packe ich morgen zur Sicherheit eins dieser Super-Deos ein. 43 Grad! Ich habe es gerne warm, aber da mir momentan sowieso häufig immer mal wieder sehr warm ist, kann ich gut auf diese Affenhitze verzichten.
Warschau-Okecie habe ich noch nie gehört. Okecie, wie sich schnell klären lässt, heißt einfach nur der Warschauer Flughafen. Warschau gilt garantiert als Metropole und wäre immerhin ein äußerst außergewöhnliches Ziel. Nicht unter meinen Top Ten, aber vielleicht dennoch hübsch.
Mit Birmingham verhält es sich ähnlich. Eine Großstadt, keine Frage, aber romantisch ist anders. Aus meiner Schulzeit habe ich jedenfalls in Erinnerung, dass Birmingham eine graue Industriestadt ist.
Bleiben Venedig und Istanbul. Venedig wäre natürlich der Hammer. Als Kind war ich mal da. Mein Vater hat uns damals jedem ein winzig kleines Tierfigürchen aus Glas gekauft. Murano-Glas. Leider hat meine Schwester meine Ente bei einem Streit auf den Boden gedonnert. Zur Strafe sollte sie mir ihren kleinen Murano-Frosch geben, aber den hat sie beim Überreichen aus Versehen fallen lassen. Das sagt viel über meine Schwester und viel über unser Verhältnis. Mein Bruder hat damals einen Hund bekommen, um den wir ihn alle beneidet haben. Venedig: Gondeln, Kanäle, Laternen, der Markusplatz – Venedig ist quasi das Synonym für Romantik. Ich
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