Aufgebügelt: Roman (German Edition)
könnte mir eine neue Ente kaufen, oder sogar einen Hund, schießt es mir durch den Kopf. Schließlich ist es nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Venedig wäre unglaublich. Lass es Venedig sein, bitte, bitte, hoffe ich.
Jetzt bleibt als Letztes wirklich nur noch Istanbul. Ich war schon in der Türkei, aber noch nie in Istanbul. Anita, meine Nachbarin, und Gesa aus der Agentur aber haben mir davon vorgeschwärmt. »Istanbul ist«, laut Gesa »das neue Marrakesch. So angesagt, so hip, so vielfältig.«
»Die tollsten Handtaschen aller Zeiten!«, war hingegen Anitas Argument für Istanbul. Hip und Handtasche statt Romantik und Glashund. Auch gut, entscheide ich. Eine neue Handtasche könnte ich mal wieder gebrauchen.
Wäre das Ganze eine Reiselotterie, dann wäre Nürnberg die Niete, Birmingham, Warschau und Riad jeweils eine Art Trostpreis, Istanbul der zweite Preis und Venedig ganz klar der Hauptgewinn. Noch zweimal schlafen und du weißt es, versuche ich mich zu entspannen. Zur Sicherheit recherchiere ich im Internet ein wenig zu Venedig. Schön, aber teuer, überlaufen von Touristen, Kaffee nahezu unbezahlbar, lautet der Tenor. Ich muss dringend noch Geld abheben, damit ich, zum Ausgleich für die großzügige Einladung, wenigstens mal ein kleines Essen bezahlen kann.
Ich mache mir eine Liste, um für die Packerei morgen vorbereitet zu sein. Wirklich lässig wäre es natürlich, nur mit kleinem Handgepäck zu reisen, aber ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem nicht mal mehr ein Kulturbeutel reinpassen würde. Auch High Heels nehmen Platz weg, ich kann ja schlecht in Stilettos fliegen. Immer, wenn ich Frauen mit Mörderabsätzen zu den Gates staksen sehe, finde ich das sehr albern. Immer – das klingt jetzt gerade so, als würde ich ständig durch die Welt jetten. Schön wär’s! Aber vielleicht wird es ja bald so sein. Vielleicht ist dieser kleine Ausflug nach Venedig der Auftakt zu einem ganz neuen Leben. Jetzt Venedig, demnächst London, dann Prag. Allein der Gedanke berauscht mich. Unterwäsche – ich brauche auf jeden Fall schöne Unterwäsche. Schlafanzug oder Nachthemd. Oder ist beides spießig und verklemmt? Schläft man als Geliebte eher nackt? Oder in einem seidigen Hauch von fast nichts? Meine karierte Flanellschlafanzughose ist jedenfalls mit Sicherheit nicht das richtige Accessoire für diesen Ausflug. Ein Negligé wäre das richtige. Nur besitze ich kein Negligé. Negligé kaufen, notiere ich auf meiner Liste. Negligé und Unterwäsche. Manchmal muss man auch investieren. High Heels setze ich gleich noch mit auf die Liste. Ich habe High Heels, aber eher High Heels aus der Vernünftige-hohe-Schuhe-Abteilung. Diese Art Pumps, die auch Flugbegleiterinnen tragen. Ein wenig Absatz, aber dennoch irgendwie bequem. Mit Fußbett! Ich werde mir ein paar Schuhe kaufen, die den Namen High Heels wirklich verdienen. Atemberaubende hohe Stöckel. Ansonsten habe ich alles, was ich für meinen kleinen Trip brauche: zwei Kleider, eine (etwas zu enge) Jeans mit nettem Top und Blazer und noch eine Strickjacke, sollte es abends mal etwas kühler werden, während wir noch auf irgendeiner Dachterrasse einen Drink nehmen. Ich sehe mich schon da stehen – das Jäckchen um die Schultern geschwungen, im Arm von Rakete, mit Blick auf die Kanäle. Oder bei einer lauschigen Gondelfahrt.
Ein Piepen reißt mich aus meiner kleinen Phantasie. Eine SMS von Christoph: Ich bin nicht Dein Angestellter! Du kannst mich nicht beliebig zu Terminen zitieren. Komme um 17.00 Uhr. Falls Du Dich erinnerst, ich gehöre zur arbeitenden Klasse!
Oh, da ist aber einer richtig sauer. Wie schade, dass er jetzt motzig durch Paris laufen muss! Das tut mir aber sehr leid. Auch für seine kleine Sarah Marie. Aber immerhin: Dein, dich und dir hat er großgeschrieben. So hat halt jeder seine Qualitäten. Arbeitende Klasse! Pah! Er ist einer der Chefs, und wenn er um 16.00 Uhr irgendwohin will, dann kann er das auch.
Es piept schon wieder. Diesmal ist die SMS von Rakete: Treffen lieber 7.45. Und schick noch mal ein Bild von dir, damit wir uns auch erkennen!
Er weiß nicht mehr, wie ich aussehe? War er so betrunken? Wollte der mich am Geruch erkennen? Wieso hat er mich dann eingeladen? Weil ich so phantastisch küsse? Seltsam!
Die Bildanfrage verstört mich, aber nicht nur das – sie bedeutet Arbeit. Jetzt kann ich nämlich den Rest des Abends damit verbringen, ein Foto rauszusuchen, auf dem ich blendend aussehe, das nicht älter als
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