Aufgebügelt: Roman (German Edition)
doch tun, kann ich es eh nicht ändern. Also nicht aufregen, Andrea, beruhige ich mich selbst. Du bist nicht mehr jung, aber auch noch nicht tot. Und dieses Wochenende wird das beweisen!
Das Alter ist nur eine Zahl. Auch so ein Blabla-Satz. Was sollte es denn auch sonst sein?
High Heels und Kleid? Das hört sich nicht nach plattem Land und strapaziösen Fußmärschen an. Eigentlich logisch, denn den Westerwald oder den Hunsrück würde man wohl kaum als aufregende Metropolen bezeichnen. High Heels und Kleid – das hört sich auch nicht nach stundenlangem Bummel durch Kirchen und Museen an. Zum Glück! Da würde man wohl eher Turnschuhe und Jeans wählen. High Heels und Kleid – das klingt nach lauschigen Straßencafés, nach exquisiten Restaurants, nach szenigen Bars, nach Cocktails, Lounge-Atmosphäre und nach Glamour.
Terminal 1, Business Class Schalter. Himmlisch! Ich bin noch nie Business Class geflogen. Allein dafür lohnt sich der Ausflug. Ich sehe mich schon mit einem Glas Champagner in einem großen, weichen Ledersessel sitzen. Trotzdem wäre ein wenig mehr Information nützlich. Wo wohnen wir? Wie schick ist das Hotel? In welche Stadt fliegen wir? Brauche ich eine Strickjacke? Klar, es ist Sommer, aber es macht doch einen entscheidenden Unterschied, ob man in Reykjavik oder in Barcelona im Café sitzt. Wenn ich die Wahl hätte, dann wäre mir Barcelona lieber. Rom würde mir auch gefallen. London finde ich toll. Paris, Madrid und New York. New York wäre der Knaller, aber ist eher unwahrscheinlich. Man fliegt ja wohl kaum für zwei Tage nach New York. Ach, im Endeffekt ist es mir relativ wurscht. Rauskommen ist auf jeden Fall gut, und wenn es in der Business Class ist, fliege ich auch nach Bukarest oder Bratislava. Ich rufe noch mal Sabine an und erstatte Bericht.
»Check doch einfach die Abflüge am Freitagmorgen um acht Uhr fünfzig. So viele Maschinen werden da ja nicht gleichzeitig starten. Dann bleibt dir immer noch eine kleine Überraschung, aber du weißt ungefähr, wohin es gehen könnte. Überraschung light sozusagen«, schlägt sie mir vor.
Da hätte ich eigentlich auch selbst draufkommen können.
»Halt mich auf dem Laufenden! Ich will über jedes Detail Bescheid wissen«, verabschiedet sie sich.
Ich schicke Rakete Namen und Geburtsdatum und schreibe nur: Bis Freitag, 8.00 Uhr! Freue mich!
So jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jetzt sitze ich quasi schon im Flieger.
Ich koche meinem Sohn einen Tee und frage, ob er etwas zu Abend essen will. Allein der Gedanke lässt ihn offensichtlich erschaudern.
»Hast du Fieber?«, will ich noch wissen.
»Siebenunddreißig Komma acht!«, jammert er.
Da kommt der Mann in ihm durch. Frauen würden das, wenn überhaupt, als leicht erhöhte Temperatur bezeichnen. Wenn man meinen Sohn anschaut, denkt man, er sei kurz vor dem Ende.
»Bleib halt im Bett!«, sage ich, »aber morgen gehst du in die Schule, jedenfalls, wenn es nicht schlimmer wird!«
»Mir ist immer noch schlecht«, jammert er weiter.
»Mir auch. Vor allem, wenn ich an die Rosen bei Reimers denke«, kann ich mir einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen.
»War doch keine Absicht!«, grummelt er.
Das wäre ja wohl auch noch schöner. Ich glaube sogar, mit Absicht hätte man einen solchen Treffer gar nicht landen können.
»Übrigens«, informiere ich meinen Sohn und nutze sein hoffentlich latent vorhandenes Schuldbewusstsein: »ich fahre Freitag und Samstag weg. Mit Sabine. Zwei Tage Wellness.«
»Okay«, sagt er nur.
Wahrscheinlich ist er froh, dann kann er sich in Ruhe was reinpfeifen und muss sich nichts anhören. Habe ich tatsächlich gedacht, er würde »Och, Mama, bleib doch bei mir!« sagen? So wie früher?
»Aber das eins klar ist, wir haben noch zu reden! Das Thema ist nicht erledigt!«, sage ich, als ich das Zimmer verlasse. »Ich warte nur auf deinen Vater«, schiebe ich noch hinterher. Ein Ausspruch wie in den tiefsten 60er Jahren. Eigentlich beschämend.
In meinem Fall aber natürlich nicht – ich warte ja nur, damit Mister Amour-fou-Paris-très bien-ça-va auch seinen Teil der Erziehungsarbeit leisten kann. Also ist es eher eine pädagogische Maßnahme, die meinen Ex betrifft. Ich schicke Christoph direkt eine SMS, damit er weiß, was morgen ansteht: Gespräch mit unserem Sohn morgen um 16.00 Uhr, habe abends keine Zeit!
Liebe Grüße und Ähnliches lasse ich weg. Mir ist nicht danach.
Claudia kommt nicht zum Abendessen. Sie bleibt bei den Von-und-Zus. Immerhin
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