Aufgedirndlt
zuzuflüstern, und kurz darauf hörte das Knallen auf, das für arabische Ohren offensichtlich wie todbringendes Maschinengewehr-Trommelfeuer geklungen hatte.
Sofort sprangen die Insassen des ersten Fahrzeugs, die allesamt elegante dunkle Anzüge und Krawatten trugen, aus dem Wagen und begaben sich zum zweiten Fahrzeug, dessen hintere Seitentüren sie schwungvoll öffneten. Es war ein Mann mit weißem Turban, der dem Gefährt entstieg und den wegen seiner machtvollen Ausstrahlung und seines schwarzen Barts sofort alle Anwesenden als den Emir des reichen Wüstenstaates Ada Bhai erkannten. Der Ministerpräsident ging auf den in ein weites weißes Gewand gekleideten Mann zu und verbeugte sich tief. Der Scheich nickte freundlich und winkte einen Mann heran, der demselben Wagen entstiegen war wie er. Auch aus den anderen Fahrzeugen schälten sich nun arabisch aussehende Personen, die Männer entweder in Anzüge oder in traditionelle arabische Kleidung gewandet, die Frauen allesamt in eleganten, weiten Stoffkleidern. Die Gesichter der Damen waren verhüllt.
»Welcome«, sagte der bayerische Ministerpräsident jetzt und spielte mit Freude sein absolut für jedes Gelände taugliches Englisch aus, »welcome to the most beautiful sea in ganz Bavaria.«
»Thank you«, erwiderte der arabische König. »We are happy to be here.« Dabei rollte er das »r« auf eine Art und Weise, dass es gerade auch für Liebhaber der bayerischen Sprache eine wahre Freude war. Dann deutete er auf den Mann, den er vorher zu sich herangewinkt hatte. »This is my cousin and assistant, Mr. Aladdin Bassam bin Suhail. He speaks German.«
Der Ministerpräsident verbeugte sich auch vor dem Cousin des Königs und sagte: »Welcome too – ach so, ich Depp, Sie können ja Deutsch. Also, auch Ihnen, Herr Aladdin, ein herzliches Willkommen.«
»Danke, Herr Präsident«, erwiderte der Cousin des Königs in beinahe akzentfreiem Deutsch. »Aladdin ist zwar mein Vorname, aber Sie können mich gern so nennen.«
»Ja, das lässt sich ja gut an«, meinte der Ministerpräsident begeistert. »Ich bin der Horst.« Den irritierten Blick des arabischen Adeligen nahm er dabei vor lauter Begeisterung gar nicht wahr. Stattdessen fuhr er fort: »So, so, dann haben Sie also Angst gehabt vor unseren Goaßlschnalzern?«
»Wie meinen Sie?«, fragte der Assistent des Emirs.
»Die Goaßlschnalzer«, meinte der Ministerpräsident und deutete mit einer lässigen Handbewegung auf die Männer mit den Peitschen, »die haben Sie das Fürchten gelehrt, gell! Dabei ist das eine Tradition bei uns« – und zum Emir gewandt – »Goaßlschnalzing is tradischn, you know. Nix shooting oder so. Fürs shooting haben mir die Gebirgsschützen.«
Erschrocken fragte Aladdin Bassam bin Suhail: »Wer wird hier schießen?«
»Na, Schmarren«, beruhigte ihn der Ministerpräsident. »Die Gebirgsschützen sind heut’ nicht da. Die präsentier’ ich euch ein andermal. Das sind schon auch g’standene Mannsbilder. Die haben in der Vergangenheit unser Land schon oft verteidigt. Aber warum seid’s so ängstlich? Hier in Bavaria passiert euch gar nichts, wir passen schon auf euch auf, da könnt’s Gift drauf nehmen.«
»Sie müssen verstehen, wir müssen seit den Unruhen in Nordafrika sehr vorsichtig sein«, erklärte Aladdin Bassam bin Suhail. »Die arabische Welt befindet sich im Umbruch. Auch in unserem Land gibt es Untertanen, die nicht zu schätzen wissen, wie sehr sich Emir Raschid bin Suhail und sein gesamtes Kabinett für sie einsetzen.«
»Ja, das Problem kenne ich«, meinte der Ministerpräsident jovial. »Das ist bei uns genauso. Der Bürger erkennt oftmals überhaupt nicht, was man für ihn alles auf die Beine stellt. Aber die Goaßlschnalzer sind einfach bloß Musiker. Die machen eine zünftige Musi und haben Spaß daran. Sei have only fun. More not.«
»Very exotic«, murmelte jetzt der Emir mit Blick auf die Männer mit den Peitschen. »I love Bavaria.«
»Ich too!«, lachte der bayerische Ministerpräsident, seine Backen ganz rot vor freudiger Erregung. »Dann«, er ließ den Blick über die Köpfe seiner Untertanen hinwegschweifen, die noch immer bis in die Stadt hinunter Spalier standen, »schlag’ ich vor, gehen wir hinein.« Just in dem Moment, in dem sich der hohe Politiker mit seinen arabischen Gästen in Bewegung setzte, stimmten die Alphornbläser ein Lied an, das auch für arabische Ohren nicht bedrohlich klang, weshalb die königliche Familie von Ada Bhai ganz
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