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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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bekannt gibt, dass er so eine Art Frauen-Casting durchführen will. Der sucht eine neue Haremsdame.« Zu Nonnenmacher gewandt sagte Kastner dann: »Kurt, gib bitte mal den Artikel her.« Anne nahm das Blatt und las:
     
    TRAUMHOCHZEIT –
TAUSENDUNDEINE NACHT
    Mach mit beim Casting! Heirate einen König!
Wie bekannt ist, verbringt Emir Raschid bin Suhail derzeit seinen Sommerurlaub in diesem schönen Tal. Dies ist kein Zufall. Denn der König von Ada Bhai liebt Bayern und seine Menschen. Deshalb befindet er sich derzeit auf Brautschau. Er möchte seinen Harem um mindestens eine neue Frau erweitern. Aus diesem Grund lädt Seine Eminenz Raschid bin Suhail alle Frauen, die zwischen 18 und 24 Jahre alt sind, dazu ein, sich zu bewerben.
     
Das erwartet die Gewinnerinnen:
1. Der Emir macht sie zu seiner Ehefrau.
2. Sie bekommen eine exzellente Ausbildung mit Universitätsabschluss, schließlich werden sie zukünftige Prinzenmütter.
3. Eine bayerische Immobilie im Wert von mehreren Millionen und viele andere Zuwendungen.
     
    Anne las ferner, dass die Bewerberinnen sich verschiedenen Prüfungen zu unterziehen hätten, unter anderem in Disziplinen wie Singen, Tanzen, Nähen, Sticken und Massage.
    »Das ist ein Scherz!«, rief sie aus, nachdem sie den Text gelesen hatte.
    Dass es durchaus ernst gemeint war, wurde den drei Ermittlern in den kommenden Tagen nur allzu deutlich vor Augen geführt. Denn ganz gleich, wohin man kam, in die Metzgerei, die Wirtschaft oder die Tankstelle, überall waren der Scheich und sein Casting die beherrschenden Themen. Praktisch zu jeder Tageszeit standen fortan junge Frauen vor dem Hotel, die sich in Schale geworfen hatten, um sich als Haremsfrau zu bewerben. Sogar Einträge in Gipfelbüchern erinnerten an das aufregendste Ereignis am See, seit der Bergwiesen-Hochzeit einer gewissen Giulia und dem Goldmedaillengewinn der hübschen jungen Riesenslalomfahrerin bei den Olympischen Spielen:
    Gipfelbuch Wallberg (1722 Meter):
    Herrlicher Tag. Bin mit Susi hier rauf. Stylen unsere Bodys für den Scheich. Yes We King! Hermine K.
    Gipfelbuch Leonhardstein (1452 Meter):
    Lieber Gott, lass mich beim Scheichcasting gewinnen. Ich gebe alles dafür, Hand aufs Herz. Lilli Moser
    Gipfelbuch Hirschberg (1670 Meter):
    Ich bin ein Mädel vom See, hol mich hier raus (aus’m Tal), Scheich Raschid.
I love Bayern, aber Arabien too. Maike
    Anders als in den Gipfelbüchern, in denen das Scheichs-Casting durchwegs positiv kommentiert wurde, baute sich an den Stammtischen der Seegemeinden eine gewaltige Unwetterfront auf. Kein Tag verging, an dem man sich nicht das Maul darüber zerriss. Der gängigen und öffentlich geäußerten Meinung nach war es ein Unding, dass im Tal plötzlich – wenn auch nur von einem einzelnen Araber – ganz offiziell die Vielweiberei gelebt werden sollte. Väter fürchteten um die Unschuld ihrer Töchter, Großväter um ihre Enkelinnen, und insgesamt rückte man das Harems-Casting in die Nähe von Zwangsprostitution und Menschenhandel. All jene, die sich der katholischen Kirche besonders verbunden fühlten, riefen gar den Glaubensnotstand aus. Der Pfarrer brachte in seiner sonntäglichen Predigt den Gedanken auf, die Einwohner der Seegemeinden könnten zu Fuß zu einer Pilgerreise nach Rom aufbrechen, um den zum Glück bayerischen Papst über den Einfall des Osmanentums in die Alpenwelt zu unterrichten und ihn um seine päpstliche Hilfe zu ersuchen. Da der Gottesdienst jedoch hauptsächlich von ältlichen Jungfrauen besucht wurde, die nicht mehr gut zu Fuß waren, fand dieser kühne Vorschlag insgesamt wenig Widerhall. Natürlich gab es aber auch den ein oder anderen Stammtischbruder, der sich eine Partnerschaft mit mehreren Personen weiblichen Geschlechts für sein eigenes Leben durchaus vorstellen konnte. Denn, das begriffen die bayerischen Männer schnell: Die legitime Verbindung mit mehreren Ehefrauen hatte auch Vorteile. Schätzungen eines Mitarbeiters der Gemeindeverwaltung zufolge hatte jeder fünfte männliche Seebewohner über fünfundzwanzig Jahren schon mindestens einmal eine außereheliche Affäre gewagt. Und bei jedem dreizehnten im Tal geborenen Kind handelte es sich um eines, so der Experte aus der kommunalen Datenverwaltung, das nicht von dem stammte, den die Mutter zum Vater nach Aktenlage gemacht hatte. Bei manchen Kindern, darüber war man sich an den Stammtischen einig, sah man das Auseinanderklaffen von Erzeugertum und Vaterschaft auf den ersten Blick. »Do

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