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Aufgedirndlt

Aufgedirndlt

Titel: Aufgedirndlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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brauchst koa Brillen net« (norddeutsch: Da brauchste keine Brille für) war ein beliebter Ausruf in diesem Zusammenhang. Bei anderen konnte man es lediglich vermuten.
    Insgesamt war man sich aber einig, dass das schon immer so gewesen war, jedenfalls seit der Zeit der römischen Besatzung. Später, als die Empfängnisverhütung sich noch immer auf das Ausspülen der weiblichen Organe nach dem Verkehr mit kaltem Seewasser beschränkt hatte, hatten gerade auf den Bauernhöfen häufig die hübschesten Mägde Kinder auf die Welt gebracht, die dem Bauern erstaunlich ähnlich sahen. Überraschenderweise war man trotz dieser Umstände den damit verbundenen Konflikten meist friedlich Herr geworden. Doch heute war mit der Ära eines Boris Becker und eines Arnold Schwarzenegger eine neue Zeit angebrochen. Es war ein Jammer: Plötzlich konnte jeder Hanswurst und jede Tussnelde mithilfe eines heimlich in Auftrag gegebenen Gentests herausfinden, ob die eigenen Kinder vom Nachbarn oder vielleicht doch von dem braun gebrannten Skilehrer aus Bottrop, der den Winter über im Tal zugebracht hatte, abstammten. Und die Bayern, die noch immer nach dem fröhlichen Motto »Laptop und Lederhose« ihres verspannten Ex-Ministerpräsidenten lebten, machten Gebrauch von den Fortschritten der Wissenschaft; mit der Folge, dass – so die Schätzung des erwähnten Zahlenmagiers aus dem örtlichen Einwohnermeldeamt – bereits ein gutes Dutzend Familien zwischen Kogelkopf, Ostiner Berg, Riederstein und Wallberg durch einen heimlich angestellten DNA-Beweis zerstört worden waren. Denn wenn ein bayerischer Mann erfuhr, dass seine Frau mit einem anderen intim geworden war, kannte er in aller Regel kein Pardon, pfiff sogar auf den jahrelang zuverlässig zubereiteten Schweinsbraten und den liebevoll gesalzenen Radi und reichte die Scheidung ein.
    War es da nicht besser, wie es der Araber handhabte? Legal mit mehreren Frauen schlafen zu dürfen, bot doch Riesenvorteile, jedenfalls auf den ersten Blick. Und die Frauen schön zu verschleiern und ständig unter Beobachtung zu halten, sodass andere Männer nicht an sie herankamen, konnte auch nicht schaden. Allerdings wurden diese wagemutigen Gedanken, die etliche Männer an vielen Stammtischen teilten, nur unter vorgehaltener Hand und wenn keine Frau in der Nähe war ausgesprochen. Die arabische Methode war in Bayern einfach noch nicht salonfähig.
    Aber, und dies ist keine spezifisch bayerische Weisheit: Wo Neues Einzug hält, gibt es auch neue Gefahren.
    Zwei Tage, nachdem der Emir von Ada Bhai die Anzeige geschaltet hatte, belauschte ein Tourist aus Husum in einem Biergarten folgendes Gespräch:
    Mann mit Trachtenhut, ein großes Stück Biergulasch im Mund: »Das hat der sich fein ausgedacht, der Scheichs-Bazi.«
    Mann in rotem Monteursoverall: »Was?«
    Mann mit Hut, schmatzend: »Das mit dem Casting.«
    Monteur: »Ja.«
    Mann mit Hut, jetzt Blaukraut in den Mund schaufelnd: »Uns die Frauen wegheiraten!« Noch ein Löffel Blaukraut. »Der muss aufpassen.« Riesiges Stück Gulasch, tropfend.
    Monteur, das halbe Bierglas in einem Zug leer trinkend: »Renate, bringst mir noch ein Helles, ich hab’ einen Saudurst.« Trinkt den Rest leer.
    Mann mit Hut, jetzt drohend: »Der lebt gefährlich.«
    Monteur zu Mann mit Hut: »Wer jetzt?« Zur Bedienung: »Wo bleibt das Bier?!«
    Mann mit Hut : »Der Scheich, der elendige.«
    Monteur: »Renate, ich hab’ einen Saudurst.«
    Mann mit Hut: »An sich ein Fall für die Gebirgsschützen.«
    Monteur: »Warum?«
    Mann mit Hut: »Attentat. Mehr sag’ ich nicht.«
    Der Kurgast aus Husum war erschüttert. Da er sich erst zum zweiten Mal in Bayern aufhielt, fiel es ihm alles andere als leicht, das süddeutsche Gemüt in all seinen schillernden Facetten zu begreifen. War er nun gerade Zeuge eines handfesten Attentatsplanes geworden, also der Vorbereitung eines Verbrechens, oder handelte es sich hier um harmloses Stammtischgeschwätz? Zweifellos war von einem Anschlag die Rede gewesen. Auch hatte keiner der beiden Bayern gelacht, Ironie konnte daher ausgeschlossen werden. Als bedrohlich empfand der Urlauber zudem, dass von einer Vereinigung die Rede war, die es im nur vierzehn Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Husum nicht gab: Gebirgsschützen. Hierbei irritierte den hellwachen Husumer weniger der erste Teil des Wortes als vielmehr der zweite: Schützen.
    Zurück im Hotel, stürzte sich der Nordfriese sofort auf seinen Laptop, loggte sich ins kabellose lokale

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