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Aufgelaufen

Aufgelaufen

Titel: Aufgelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koehn
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von Tränen und Trauer und freute sich über das frisch bezogene, kühle Bett. Dort liegend entspannte sich sein gedanke n schweres Hirn, amüsierte sich sein Gemüt in mehr und mehr Wodka; und doch hatte er die ewigen Wünsche nicht vergessen. Ja, die waren da – immer. Und dieses Wissen floss herzwärts, hirnwärts, in ein anderes Ich. Es war wie so oft: Es strömten Gefühle aus dem Schlaf in die Wachheit und verlagerten sich hinter die zusammengekniffenen Augen; und er sah zum tausendsten Mal, wie er drohend die Faust hob und die sich ihm wie von selber und im Zorn der Selbstverstümmelung Nachdenkens statt Schlaf – an den Kopf schlug. Danach sah er sein karpfenartiges Maul sich öffnen und Befehle brüllen; er wusste es später nicht mehr, sah aber i m mer wieder sein knallrotes Gesicht unter dem Képi blanc hinter der Sche i be des Lastwagens, daneben ein zweites Gesicht, ein verzweifeltes, das von Sam, der gleich darauf schrie,  die Fahrertür aufgerissen und das Fahrzeug verlassen hatte , und draußen weiter schrie und tobte, und kreischte und rannte – rein in das Minenfeld.
    Pierre sah seinen Hass auf die längs von Minen und Körpern verstopfte Straße fließen. Sah Blut, abgerissene Arme und Beine; aus Leibern he r ausgerissene wirr gekrümmte Eingeweide, die da lagen wie kaputte Br ü cken. All diese totfreien Menschen, an den Rändern vorbei fließenden Lebens. Diese zerpressten Seelen der Erwachsenen, die wenig gelebten von Kindern, deren Körper zerbombt waren wie die Landschaft.
    Alles, was er als Soldat und Kämpfer abgefeuert hatte, das ihn so schmerzlich selber immer wieder getroffen hatte, war endlos, und immer u nd immer wieder hatte er diese Bilder vor Augen, die toten Gestalten, sein ständiges Wiedererleben von Geschichte und Erinnerung. Und in dieser Erinnerung ging er, um Vergebung suchend, leer aus. Letztlich war dieser seelische Zustand, diese Ödnis, Erinnerung , denken zu müssen, Käfighaltung, war eine Maßnahme, die von Gott in sein Hirn gesandt wurde, um ihn immer und ständig neu abzustrafen.
     

11
     
     
    Vom Bahnhof Zoo Berlin fuhr er mit dem IC nach Hamburg, zu Angela. Vor ihrer Tür stehend atmete er tief aus, horchte, und hörte Lustgeräusche, eindeutig. Da er seine Erfahrung kannte , fragte er sich nie, warum er grundsätzlich an Türen horchte, bevor er schellte. B ei ihr hier, da hatte er hatte schon beim Kennenlernen ge tippt, dass sie anschaffen ging ; denn ihre in weiß gehaltene Bude war mit Gold gefüllt: Gold im Klo, Teppiche, Bilder, M öbel überall, alles alt echt . Das Zeug, das sie trug, von Armani, die Uhren – ein halbes Dutzend – alle von Breitling. Ringe und Ketten aus Paris, wie sie stolz erzählte. Ohrgehänge – pures Gold – aus Brasilien, mit Brillis an den Spitzen, das er manchmal anstarrte, wenn er bei ihr die kr e denzte Flasche Wodka aus Bleiguss geschmückten Gläsern soff – mit dem Siegelsilberlöffel nach letzten Störeiern suchend. Und nun das hier: Fic k geräusche! Ach, geschenkt, gewusst, und schon getillt  ..., doch nicht so ganz. Eine Hoffnung war gestorben, ein grüner Halm in der Wüstung se i nes Daseins. Es war zwar längst nicht so schlimm wie der Tag, als er von Effies Tod erfuhr, aber es war schlimm.
     
    Traurig und wütend war er, und in dieser Wut unter Tränen, stürmte er raus aus dem Haus. Ein paar Meter weiter, hin zur „Eva Bar“ trug es ihn ohne eigentliches Wollen, denn da hatte er schon mal Wodka aus Wasse r gläsern – also hinein.
    „Gut“, dachte er, als er Evas-Bar-Banditen um den Tresen lümmeln sah, „dass ich die Tasche mit der Kohle im Schließfach am Dammtor gebu n kert habe.“.
     
    Als eiserne Bargeldreserve trug er zehn Fünfhunderter unter einem Gummi gerollt in der Jackeninnentasche. Da kam keiner unbemerkt ran. Kaum saß er, kam eine mit Na-magst-du-auch-so-gerne-Musik-Gesicht, bleichen Lippen , und wollte tanzen – er nicht. Trotzdem zog er sie an sich heran , denn der schnell getrunkene Wodka und die Musik und ihr Parfüm verwischte Fragen wie Antworten, killten sanft seine Trauer und Wut und ihre Stimme, ob er mit ihr wollte oder nicht, und was es auf dem Zimmer koste.
    „Blasen oder ...?“, vibrierte ihr professioneller Singsang dennoch an se i nem Gesicht. Er ging mit, sie schnüffelte geldgeil an seinem Hals. Er legte einen Schein hin, wollte pennen, nur das.
    „Und ich?“
    „Du hältst einfach dein Maul!“
    Die gerollten Scheine hatte er sich sicherheitshalber in die

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