Aufgelaufen
fragte sie routiniert, als wäre er Kunde.
„Keine Münzen!“
Er hatte anderes im Kopf als Münzen; sichernd blickte er über den Tr e sen, in den Kundenraum.
„Keinen Blödsinn, Leute!“, warnte er, „keine unbedachten Bewegu n gen!“ Und es war ruhig, doch nicht still, denn in die Stille hinein hörte man das leise Schmatzen der Geldscheine. Er wunderte sich etwas, dass das Einpacken von Geld solche Geräusche machte. Es waren jedoch nicht die Scheine, die schmatzten. Eine Tür hatte sich hinter Pierre s Rücken geöffnet, das war es. ‚Chefzimmer’ stand an der Tür. Davor nun der Ba n kier, der hielt seine Augen halb geschlossen. Warum wohl, war es Angst, wartete der auf irgendwas, vielleicht auf die U-Bahn?
„Stehen bleiben!“, befahl Pierre dem Banker im Moment als er seiner gewahr wurde. Und in dieser Sekunde, der Gefahr bewusst, irgendwie bewusst und dann auch wieder nicht, blieb Pierre eiskalt, nüchtern, und erschreckend klar. Jawoll, von den Hunden des Krieges bis hierher g e hetzt, hatte er nichts zu verlieren, denn er hatte nie etwas zu verlieren. Und wenn er doch was verlor, hatte er bisher immer was dazu gewonnen. Nur bei Effie war das anders. Ihr Verlust war endgültig, war Strafe, der Verlust von Lie be und der mangelnden Fähigkeit, welche zu geben. Effies Nicht- mehr-da-Sein hatte ihn in Herzgefühlen impotent zurückgelassen, soweit dazu.
Der Banker rieb sich das Gesicht, hatte der heimlich im Büro geschl a fen? Herrgott, der Kerl machte ihn verrückt! Und dann, als es unvermutet knallte, durch die Hosentasche des Bankers ein Feuerst oß raste, direkt auf ihn zu – ‚Halt dich fest, Pierre’ , pfefferte es ihn fast von den Beinen. Ein stechender Schmerz, ein Alb traum, seine Schulter. „Pierre!“, rief er sich aufmunternd zu und sah zum Banker rüber. Doch der war erschrocken, wie alle, wie Pierre selbst. Schluchzen hörte er von den am Boden liege n den Subjekten, vom Banker ein „Oh“, und alles innerhalb einer Zehnte l sekunde. Und auch seinen Schuss in Richtung des Bankers im Zeitlimit, dann, gleich nach dem Knall, dessen angstvolles Schreien: „Aufhören! Bitte, bitte, bitte, bitte ...!“, und das, bevor es überhaupt richtig los ging mit Krieg, oder auch nicht.
„ S chieb die Waffe rüber, aber ganz vorsichtig, sonst ...!“ Und als er die hatte, herrschte er den Banker an, sich auf den Boden zu legen, auf den Bauch, zu den anderen, Frau Meyer sollte weiter einpacken und dann den Verbandskasten holen.
„Was ist hinter der Tür?“
„Hinterm Chefzimmer?“
„Ja!“
„Ein kleiner Tresor.“
„Geld drin?“
„Nicht viel , bloß Wechselgeld in Scheinen – und so!“
„Lassen Sie sich die Schlüssel geben, packen Sie voll. Und denken Sie daran, ein falsches Ding und es gibt Tote!“
„Kann ich mal zum Klo?“, heulte der Banker.
„Wie heißt du?“
„Dietrich Müller.“
„Hast du dich vollgeschissen?“
„Ja, ich ...“
„Maul halten, liegen bleiben!“
Dann musste es schnell gehen, denn an die Scheiben drückten sich N a sen, an denen Menschen hingen, er musste machen, los, los, schnell, schnell – und raus. Frau Meyer drückte ihm die Tüte in die Hand und den Ve r bandskasten.
„Sie sind richtig, Frau Meyer.“
„Viel Glück“, flüsterte die.
Die volle Tüte trug er rechts, den Verbandskasten links. „Eigentum der Holzeisen – Uelzen“, stand fett dort drauf, zierlich darunter: „Wir kü m mern uns um ihr Geld“. „Gut so“, dachte Pierre, „Gesundheit und Geld, das Thema der heutigen Zeit, und ich mittendrin …“
„Fünf Minuten rührt sich von euch keiner, sonst ...!“
Beim Verlassen der Bank riss er den Rohrbruchzettel ab, warf den Ga f fern das Fahrradschloss zu, rief: „Hineinspaziert, die Bank ist geöffnet!“, und erst im Auto, nach ein paar Kilometern Vollgas auf einer langen G e raden, packte er die Makarov in die Tüte, zog die Sturmhaube ab, tat die zur Waffe und zusammen mit dem Geld in eine Ledertasche.
„Zählen werde ich die Kohle später.“
Den Gedanken, nach Hamburg zu fahren, um Angela zu besuchen, hatte er verworfen; so war er auf dem Weg nach Berlin, nach Paris, Barcelona, Tanger oder sonstwohin , egal, er würde nirgendwo etwas verpassen. Scheiß Gedanken – jetzt hatte er Wichtigeres zu tun.
Auf dem nächsten Parkplatz, in einer der Blechtoiletten, versorgte er die Schusswunde am Oberarm.
„Ein Streifschuss einer Sechs-Millimeter ist in der Wirkung nicht mehr als ein
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