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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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gnädige Frau –»
    In diesem Moment erscholl von innerhalb der Collegemauer ein lautes Stöhnen. Ein Ausdruck heillosen Schreckens trat in das Gesicht des jungen Mannes.
    «Was war das?» fragte Harriet.
    «Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen», antwortete er.
    Das Stöhnen wiederholte sich. Harriet packte den Studenten fest am Arm und führte ihn zum Eingang.
    «Aber sehen Sie mal», rief der junge Mann, indem er kläglich neben ihr her humpelte, «Sie dürfen nicht – bitte denken sie nicht –»
    «Ich will doch mal nachsehen, was da los ist», sagte Harriet.
    Sie schloß die Tür auf, zog ihren Gefangenen mit sich und schloß wieder zu. Neben der Mauer, genau unter der Stelle, wo der junge Mann gekauert hatte, lag eine zusammengekrümmte Gestalt, die augenscheinlich unter heftigen inneren Schmerzen litt.
    «Hören Sie», sagte der junge Mann und gab jetzt endlich alle Verstellung auf. «Es tut mir ja entsetzlich leid. Wir waren wohl ein bißchen gedankenlos, fürchte ich. Ich meine, wir haben es gar nicht gemerkt. Das heißt, ich fürchte, es geht ihr gar nicht gut, und wir haben nicht gemerkt, wie schlimm es war, nicht?»
    «Das Mädchen ist betrunken», stellte Harriet ungnädig fest.
    Sie hatte in der schlimmen alten Zeit zu viele junge Poeten in ähnlichem Zustand gesehen, um sich über die Symptome zu täuschen.
    «Nun, ich glaube – ja, so ungefähr», sagte der junge Mann.
    «Rogers mixt sie aber auch immer so stark. Aber hören Sie, wirklich, es ist nichts Schlimmes passiert, und ich meine –»
    «Hm!» machte Harriet. «Na gut, und schreien Sie nicht so. In dem Haus hier wohnt die Rektorin.»
    «Verdammt!» sagte der junge Mann zum zweitenmal. «Hören Sie – seien Sie ein netter Mensch, ja?»
    «Kommt ganz darauf an», sagte Harriet. «Und damit Sie’s wissen, Sie haben noch unverschämtes Glück gehabt. Ich bin keine Professorin. Ich wohne nur zur Zeit im College. Ich habe also freie Hand.»
    «Dem Himmel sei Dank!» rief der junge Mann erleichtert.
    «Nicht so voreilig. Sie müssen mir erzählen, was los war. Wer ist das Mädchen übrigens?»
    Der Patientin entrang sich ein neues Ächzen.
    «Mein Gott!» sagte der Student.
    «Machen Sie sich keine Sorgen», tröstete ihn Harriet. «Sie wird sich gleich übergeben.» Sie ging hin und sah sich das Häufchen Elend an. «Schon gut. Sie dürfen sich in ritterliches Schweigen hüllen. Ich kenne sie. Es ist Miss Cattermole. Und wie heißen Sie?»
    «Pomfret – vom Queen’s College.»
    «Aha!» sagte Harriet.
    «Wir hatten eine Party bei meinem Freund im Zimmer», erklärte Mr. Pomfret. «Das heißt, es hat als Versammlung angefangen, und dann wurde eine Party daraus. Nichts Unrechtes dabei. Miss Cattermole war nur aus Jux dazugekommen. Alles nur Spaß. Aber wir waren ziemlich viele, und dann gab eins das andere, und wir haben ein paar zuviel gekippt, und dann hatte es Miss Cattermole plötzlich erwischt. Da haben wir sie uns also aufgeladen, Rogers und ich –»
    «Verstehe», sagte Harriet. «Nicht sehr rühmlich, wie?»
    «Nein, es ist widerlich», gestand Mr. Pomfret.
    «Hatte sie überhaupt die Erlaubnis, zu dieser Versammlung zu gehen? Und Nachtausgang?»
    «Das weiß ich nicht», antwortete Mr. Pomfret beunruhigt. «Ich muß leider sagen – sehen Sie, es ist ziemlich peinlich. Ich meine, sie gehört der Gesellschaft gar nicht an –»
    «Welcher Gesellschaft?»
    «Der, die da eine Versammlung hatte. Ich glaube, sie ist nur aus Jux dazugekommen.»
    «Uneingeladen auch noch? Hm. Das heißt wahrscheinlich, daß sie keinen Nachtausgang hatte.»
    «Sieht böse aus», sagte Mr. Pomfret.
    «Böse für sie » , sagte Harriet. «Sie und Ihr Freund werden vermutlich mit einer Geldbuße und Ausgangssperre davonkommen; aber wir müssen da strenger sein. Die Welt sieht überall Schlechtigkeit, und unsere Vorschriften müssen das berücksichtigen.»
    «Ich weiß», sagte Mr. Pomfret. «Wir haben uns auch wirklich große Sorgen gemacht. War ein scheußliches Stück Arbeit, sie überhaupt hierher zu kriegen», brach es vertrauensvoll aus ihm heraus. «Zum Glück war es nur vom andern Ende der Longwall Street. Puh!»
    Er nahm sein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn ab.
    «Jedenfalls», fuhr er fort, «bin ich froh, daß Sie keine Professorin sind.»
    «Das mag ja sein», sagte Harriet streng, «aber ich bin Absolventin und Mitglied dieses College und muß mich verantwortlich fühlen. Solche Dinge sieht man nicht gern.»
    Sie warf einen

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