Aufs Spiel gesetzt (German Edition)
den Bildschirm. Warum hatte Cliff nicht den langen Wurf gemacht? Es wäre leicht genug gewesen. Immerhin hatten sie beide an der UNC wirklich genug Zeit damit verbracht, Drei-Punkt-Würfe zu trainieren.
„Er ist nicht so gut wie du“, sagte Leo geduldig.
„Cliff? Es hat nur ein bisschen gedauert, bis er aufgeblüht ist.“
„Nein, Idiot, er ist einfach nicht so gut. Er wusste, dass er den langen Wurf nicht schaffen würde, also konnte er keine Sekunde darauf verschwenden, seinen Guard gut aussehen zu lassen. So gut bist nur du, Xander. So gut bist du schon immer gewesen.“
Xander zuckte mit den Achseln. „Ich habe trainiert“, sagte er ruhig, während seine Verteidigung in sich zusammen fiel. „Chris hat mit mir trainiert. Das war alles, was ich hatte.“
Leo seufzte – er wusste einiges über Xanders Vergangenheit. Aber nicht alles. Genug, um Xander zu helfen, ein paar gut klingende Antworten parat zu haben, wenn die Presse ihn in die Ecke drängte, aber nicht alles.
Niemand wusste über diese kleine, beschämende Wohnung Bescheid, oder das Jugendheim, in dem er danach gelebt hatte. Niemand wusste, dass er weggelaufen war. Niemand wusste, wann er das letzte Mal seine Mutter gesehen hatte – vielleicht nicht einmal Chris. Nein – er war als Erfolgsgeschichte des Pflegesystems ausgegeben worden und ungefähr die Hälfte der Zeitschriften bezeichnete Chris fälschlicherweise als seinen Pflegebruder. Leo ließ sie in dem Glauben. Es war eines der Dinge, die dazu geführt hatten, dass es für sie so einfach gewesen war, beim selben Team zu unterschreiben.
"Mann, du kapierst es einfach nicht, oder? Schau dir Chris doch mal an –er spielt sich die Seele aus dem Leib. Wie ist seine Statistik?"
Xander sah nach und Leo hatte Recht. Chris schwitzte stark und konzentrierte sich komplett auf seine Arbeit. Es war wie Integralrechnung, ein Fach, das Chris gehasst hatte. Er hasste es, aber er würde trotzdem nie schlechte Arbeit leisten, wenn er etwas für seine Pflicht hielt.
„Normalerweise ist er besser", murmelte Xander. „Ich glaube er ist krank."
Leo winkte genervt ab – das tat er manchmal. „Was soll der ´er ist krank´ Mist, Xander? Ich finde er sieht ganz normal aus!"
„Ja klar, wenn er neben dir auf dem Sofa sitzen würde. Aber auf dem Spielfeld ist er normalerweise …" Xander gestikulierte mit seinen großen Händen und suchte nach einem ausreichend bedeutungsvollen Wort für den glänzenden Heiligenschein, der Chris zu folgen schien und Xander sagte, wann er passen oder werfen sollte.
"Golden", sagte er nach einem Moment unangenehmer Stille. "Er glänzt normalerweise wie Gold, wenn wir zusammen auf dem Spielfeld sind. Du weißt schon. Nur ein bisschen dunkler."
Leos Augen traten hervor und Xander ließ sich wieder in die Couch sinken, um sich das Spiel mit derselben grimmigen Konzentration anzusehen, mit der Chris zu spielen schien.
Als es vorbei war, hatte Denver gewonnen, aber es war kein schöner Anblick gewesen. Chris hatte bewiesen, dass er ein fähiger Spieler für das Hauptteam war – aber nicht besser als Cliff und nur wenig besser als der Mann, den sie aus Denver zu den Kings geschickt hatten. Leo und Xander saßen ausdruckslos da und sahen sich die Zusammenfassung des Spiels an, während der Chris liebenswürdig in die Kamera grinste und log, was das Zeug hielt.
„Ja, es hat Spaß gemacht mit Cliff zusammen zu spielen. Wenn Karcek noch dabei wäre, hätte ich mich wieder wie auf dem College gefühlt. Ob ich denke, dass ich denselben Erfolg wiederholen kann, den ich mit Karcek hatte?“ Chris´ Grinsen verblasste und wurde bittersüß. „Xander und ich waren lange Jahre ein Team. So etwas reißt man nicht einfach auseinander und erwartet dann, dass man es innerhalb eines Tages wieder aufbauen kann.“
Und dann spielte ihm glücklicherweise jemand einen Ball zu, der ihn wieder hinter das Steuer beförderte.
„Was ich über Colorado denke? Haben Sie Ihre Straßen mal angeschaut? Hier glaubt niemand an Leitplanken! Mein Gott, ich liebe es hier!“
Das obligatorische Lachen der Menge beendete die Pressekonferenz und sie wechselten zu einer Ankündigung die mit einem anderen Sport zu tun hatte. Xanders sehnsüchtige Fixierung auf den Bildschirm ließ etwas nach, als das Objekt seiner Begierde zu einem anderen Körper wurde, der nun nach den geheimnisvollen Regeln des Sportjournalismus zerpflückt werden würde. Dann drehte Leo den Fernseher aus und sagte leise: „Du bist
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