Aufstand der Affen
öffnete sich. Armando zog an der Leine.
»Komm, Cäsar.«
Als sie ein Stück gegangen und außer Hörweite waren, blieb Armando stehen, blickte in die Runde, als wolle er sich orientieren, und sagte dann: »Du siehst, Cäsar, in der Großstadt ist alles anders als draußen auf dem Land. Vor allem heißt es aufpassen. Denk immer daran, daß du dich still und bescheiden zu verhalten hast, so wie die anderen entwickelten Primaten, denen du hier begegnen wirst. Gewiß, sie können auch sprechen, aber nicht wie du oder ich; bei ihnen ist es mehr wie ein Gestammel, mit dem sie gerade das Wichtigste ausdrücken können. Gib auf keinen Fall zu erkennen, daß du genauso redegewandt und intelligent wie diese Leute hier bist. Das könnte sehr gefährlich werden.«
»Ich weiß«, antwortete Cäsar. »Du hast es mir schon öfters gesagt. Aber ich verstehe noch immer nicht ganz, warum ...«
Er brach ab, als Armando ihn mit einer hastigen Handbewegung auf eine ältere Frau und ihre Tochter aufmerksam machte, die in ihrer Nähe vorbeigingen. Der alte Mann trat auf sie zu, verbeugte sich und überreichte ihnen einen der Handzettel. Als er sich wieder zu Cäsar wandte, war seine Miene besorgt, und seine Stimme klang eindringlich.
»Cäsar, hör mir gut zu. Wenn die Behörden herausbringen, daß du wie ein Jahrmarktsverkäufer reden kannst und es an Intelligenz mit jedem von uns aufnimmst, könnten sie an alte Zeiten erinnert werden und darauf kommen, daß du das Kind von Cornelius und Zira bist, die aus der Zukunft zu uns kamen. Sie wurden vor mehr als dreißig Jahren von den Menschen getötet, weil man befürchtete, ihre Abkömmlinge würden einmal über die Menschheit herrschen. Auch dich glaubten sie getötet zu haben, doch hatte Zira dich in meinem Zirkus zurückgelassen und einen jungen Schimpansen mitgenommen, um so dein Leben zu retten. Deine Eltern hatten dich Milo genannt, aber ich zog dich auf und gab dir den Namen Cäsar, und mit den Jahren geriet die ganze Geschichte in Vergessenheit. Wir sollten uns davor hüten, sie durch Unvorsichtigkeit wiederzubeleben. Wenn du siehst, wie deinesgleichen hier behandelt werden, welche Rolle ihnen von der Gesellschaft zugewiesen wurde ...« Armando brach ab und blickte trübe ins Leere.
Cäsar berührte ihn am Arm. »Was wolltest du sagen?«
Armando seufzte. »Im Zirkus herrscht Kameradschaft, Cäsar. Die Menschen akzeptieren dich als einen der ihren, und im allgemeinen sind sie freundlich zu den Tieren und behandeln sie gut. Jeder weiß, daß er auf die anderen angewiesen ist. Das ist hier anders, mein Junge, du wirst es sehen. Darum hielt ich dich von Fremden fern, bis ich meinte, daß du reif genug seist. Also Vorsicht. Spricht dich jemand an, so antwortest du am besten nur mit ja oder nein. Oder du sagst einfach: ›Nicht verstehen‹. Kapiert?«
Ehe Cäsar antworten konnte, sah Armando einen Geschäftsmann mit forschem Schritt näher kommen, zerrte heftig an der Leine und sagte in gereiztem Ton: »Nun mach schon, vorwärts!«
Cäsar geriet aus dem Gleichgewicht und setzte sich wankend in Bewegung. Der Geschäftsmann starrte sie neugierig an und ging weiter.
In Cäsars Gehirn wirbelten die Gedanken durcheinander. Was war so schrecklich an den großen Städten, daß Armando ihn bis jetzt von ihnen ferngehalten hatte? Und warum sollte er so gefährdet sein, nur weil er klarer denken und besser sprechen konnte als seine Artgenossen? Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn Armando von einem Gastspiel in der Stadt überhaupt abgesehen hätte. Cäsar sehnte sich zurück in die Geborgenheit der vertrauten kleinen Zirkuswelt. Wie wohl hatte er sich gefühlt, wenn sie durch die kleinen Landstädte und Dörfer gezogen waren, wenn er unter den hellen Lampen seine Reiterkunststücke vorgeführt und den Applaus genossen hatte! Dort hatten ihm die Namen Cornelius und Zira wenig gesagt; es waren die Namen von Eltern gewesen, die er nie gekannt und auch nicht entbehrt hatte. Doch hier, als er gehorsam seinem alten Pflegevater Armando folgte, gewannen die Namen auf einmal neue Dimensionen; das elterliche Erbe war unversehens zu einer Bedrohung geworden.
Sie gingen durch eine schmale Verbindungsstraße, vor sich das Gewimmel eines verkehrsreichen Platzes mit zahlreichen Geschäften. Armando wandte sich um und schenkte seinem Begleiter einen Blick voll Wärme und Mitgefühl.
»Da vorn ist einer der belebtesten Plätze der Stadt – der erste, auf dem wir unsere Handzettel verteilen werden.
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