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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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zusammengeschrieben hatte, entdeckte er, daß ihn Marie, genau wie jedes Jahr, bestohlen hatte. Er rief sie herunter, sie kam wie jedes Jahr, blinzelnd, mit vorgeschobenem Kinn, fing gleich an, auf Desak einzuschimpfen. Desak packte sie am Haar, schlug zu, gleich heulte Marie los, ein ganz besondres Heulen, das sie nur einmal im Jahr bei dieser Gelegenheit heulte. Es war weich und dünn, machte dem, der schlug, Lust, noch mehr davon zu hören. Desak schlug und schlug, jetzt war er im Zug, er hörte erst auf, als Mariens Heulen leise und langweilig wurde. Marie schnaufe und schluckte, machte sich klein in einem Winkel, stellte sich elender, als sie war. Desak klopfe sie lachend gegen das Schulterblatt, es stand etwas vor, die Bluse war an dieser Stelle etwas abgeschabt, brummte und rupfe sie. Zuletzt blieben sie zusammen bis zum Morgen, da kam der junge Kaufmann herunter und wollte Kaffee. –    Schon am nächsten Abend hatte es geheißen, daß die Leute mit einem neuen Kontrakt auf dem Heimweg von Sebastian seien. Die Männer sagten ihren Frauen, daß alle kommenden Winter anders als die bisherigen verlaufen würden. Sie sagten nicht, worin dieses anders bestand, aber alle, die es hörten, dachten sich etwas andres darunter, die Frauen, die Kinder, sie selbst. Alle sprachen von dem neuen Kontrakt, auf dem Markt, auf der Insel stieg das Kilo Kleinfisch um zwei Pfennige in der Woche, die Kinder waren auch lustig. Einmal hieß es, daß der neue Dampfer die Leute zurückbrächte, alle waren auf dem Steg. Aber niemand kam, die Woche verging ohne Nachricht, die Suppe wurde dünner, die Weiber ungeduldiger, jetzt war es schon Zeit, daß die Männer ausführen, sowieso waren draußen die besten Fischplätze weggenommen. Der Wind, der vom Lande her faden Sommerregen vor sich hertrieb, drückte verstört gegen die Schiffe im Hafen, die von einer unsichtbaren Zauberkraf festgehalten wurden, die stärker zu sein schien, als er selber.    Der Wirt machte eine große Bestellung, wie sonst nur auf den Winter, er schenkte auf Kredit aus, jeden Abend war die Schenke voll, es war, als ob das Dorf an einem geheimen Kummer litte, gegen den man ein bißchen trinken mußte. Hull ging meistens mit Kedenneks nach Hause. Andreas saß, die Hände auf den Knien, neben seinem Onkel; er sah in seinem braunen Gesicht etwas stiller und müder aus, vielleicht hatte er wieder einen Ruck getan, vielleicht hatte ihm die Kleine aus St. Blé einen Vorschuß gezahlt.    Eines Morgens kam die Nachbarin, Katarina Nehr, klopfe und setzte sich. Aber Katarina Nehr sagte eine Weile gar nichts, dann sagte sie: „Ob Franz Nehr wohl zurückkommt?" – Marie Kedennek sah die andre scharf an. Katarina Nehr war noch jung, safig und nicht so ausgemergelt wie die andre; deshalb hatte Marie Kedennek sie auch nie leiden können. Sie konnte auch nicht verstehen, wie das ein Mensch fertigbrachte, einfach zu klopfen und sich hinzusetzen und den Mund aufzutun. Aber das waren auch freilich sonderbare Tage. Sie erwiderte: „Warum soll er nicht wiederkommen?" – Katarina Nehr nickte, dann ging sie. Offenbar war sie wirklich nur gekommen, um ihre Befürchtung auszusprechen. Abends erzählte die Kedennek von ihrem Besuch. Ihrem Mann konnte sie nichts erzählen, aber Andreas. Andreas erzählte am Hafen seinen Freunden. Bald sagten sie im Dorf: da muß was los sein. Warum sind die noch nicht zurück: wenn die nur wiederkommen? Die volle Woche verstrich. An einem Samstag kamen ganz unerwartet mit dem Frühdampfer drei von den Abgeschickten wieder. Sie waren ursprünglich vier gewesen, zwei aus St. Barbara, zwei aus den Ortschafen. Die beiden Auswärtigen hielten sich nicht auf, sondern gingen gleich zu Fuß weiter. Der dritte, Michel Pedeck aus St. Barbara, ging zu seiner Familie. Er traf schon unterwegs Kameraden, denen er alles erzählte.    Sie waren gleich ganz anders aufgenommen worden, als sie sich gedacht hatten. Kurz nach ihrer Ankunf hatte man sie alle in ein Verhör genommen. Am Mittag des vorletzten Tages war Franz Nehr verhafet und in die Hauptstadt gebracht worden. Er wurde in die Angelegenheit mit dem jungen Bredel verwickelt. Er war an jenem Abend droben in der Schenke gewesen. Es hatte zwar eine Versammlung stattgefunden, die war aber aus irgendeinem Grund nicht beschlußfähig gewesen. Sie kehrten eigentlich unverrichteter Sache wieder.    Es war ein weicher, grauer Tag, Landwind, man sehnte sich danach, Salz auf der Zunge zu schmekken. Land

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