Aufstand der Gerechten
an, die zwei Uniformierte an die
Kollegen verteilten, und ging dann zurück zu der Menschenmenge, die immer
größer wurde. Ich rief Debbie an, um ihr zu sagen, dass ich ein bisschen später
nach Hause käme. Das Abendessen und die Schlafenszeit der Kinder hätte ich
wieder einmal verpasst, merkte sie noch an, ehe sie auflegte.
Als ich das Telefon wegsteckte, kam Bill Burgess, der Sergeant, der
bei uns am Empfang saß, zu mir herüber. Normalerweise war er ein gutmütiger,
ein wenig sarkastischer Mann, doch offenbar hatte Patterson ihn auf die
undichte Stelle bei uns und die Weitergabe von Lorcan Huttons Namen
angesprochen.
»Ich habe heute mehrfach versucht, Sie zu erreichen«, begann er und
glaubte offensichtlich, dass Angriff die beste Verteidigung sei.
»Ich war beschäftigt. Harry hat mit Ihnen gesprochen, wie ich sehe.«
Seine Miene wurde ein wenig milder, und er nickte. »Ignoranter
Mistkerl«, murmelte er. »Er hat mich beschuldigt, ich hätte der Presse das mit
Lorcan Hutton und Kielty verraten.«
»Und? Haben Sie?«, fragte ich. Burgess war zuverlässig, doch er war
derart daran gewöhnt, alles so zu tun, wie und wann es ihm passte, dass ihm
womöglich etwas in Hörweite der falschen Person herausgerutscht war.
»Nein«, antwortete er empört. »Ich weiß nicht, wer es denen gesagt
hat, ich war es jedenfalls nicht.«
»Dann vergessen Sie’s«, riet ich ihm.
»Aber Harry hat gesagt –«, widersprach er.
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, sagte ich. »Es ist ja
nichts Schlimmes passiert.«
Ich war ziemlich sicher, dass nicht Burgess die Information
ausgeplaudert hatte. Doch dass nichts Schlimmes passiert war, stimmte
keineswegs. Denn nun wusste Lorcan Hutton, dass wir nach ihm suchten, was
vermutlich bedeutete, dass er für eine Weile abtauchen würde.
Zufrieden damit, mich überzeugt zu haben, zog Burgess von dannen und
tat beschäftigt. Ich ging ebenfalls weiter.
Im Gehen betrachtete ich die Menge vor mir. Es mussten beinahe
einhundert Personen sein. Zwei Pressefotografen gingen um die Leute herum.
Einer von ihnen kletterte auf den Pfeiler einer Gartenmauer, um ein Foto von
der gesamten Menge zu machen. Ich kletterte neben ihn auf die Mauer, um selbst
besser sehen zu können.
»Schon gut«, sagte er, nickte und ließ die Kamera sinken. Er
rechnete wohl damit, dass ich ihm sagen würde, er solle von der Mauer
heruntersteigen.
»Worum geht’s da?«, fragte ich und deutete auf die
Menschenansammlung.
»Sagen Sie’s mir.« Er zuckte die Achseln. »Wir haben nur gehört,
dass diese Rising-Leute heute Abend demonstrieren. Meinen Sie, es gibt Ärger?«
»Das bezweifle ich.« Auch ich zuckte die Achseln.
»Schade«, sagte er, dann fotografierte er weiter.
Plötzlich kam mir eine Idee. Ich durchsuchte meine Taschen, bis ich
die Fotos fand, die Hendry mir am Vortag gegeben hatte.
»Sie könnten mir nicht zufällig einen Gefallen tun?« Ich reichte dem
Fotografen die Bilder. »Würden Sie mir Bescheid geben, falls Sie einen von
denen sehen?«
Er besah sich die Fotos und prägte sich die Gesichter ein. Beim
dritten Foto hielt er inne.
»Jimmy Irvine?«
Ich nickte.
»Sollte nicht allzu schwer sein, den glatzköpfigen Mistkerl zu
entdecken.« Er reichte mir die Fotos zurück.
Ich suchte die Menge nach bekannten Gesichtern ab. Ziemlich weit
vorne führten ein Kameramann und ein Reporter gerade ein Interview mit jemandem
und gingen dabei langsam rückwärts. Der Kameramann hatte eine Lampe oben an
seiner Kamera befestigt, in deren Licht ich nur die Silhouetten der Köpfe um
ihn herum sah, sodass ich nicht erkennen konnte, wer da interviewt wurde.
Plötzlich erlosch das Licht – das Interview war beendet. Eine Weile
hatte ich weißes Flackern vor Augen, bis ich mich wieder an die Dunkelheit
gewöhnt hatte. Vorne hatte jemand ein Megafon hervorgeholt und stimmte nun
einen Sprechgesang an: »Was wollen wir? Dealer raus! Wann wollen wir das?
Jetzt!« Die Versammelten nahmen diese Formel auf, und der Sprechgesang wurde
schnell lauter.
Schließlich ebbte das Geschrei ab, und ich bemerkte, dass jetzt jemand
vor den Leuten stand und zu ihnen sprach. Man konnte ihn nur schlecht
verstehen, aber ich hörte so etwas wie »friedliche Demonstration«. Von meinem
erhöhten Standpunkt aus sah ich, dass jemand aus der Gruppe der Demonstranten
heraustrat und auf Lorcan Huttons Haustür zuging. An der Tür blieb er stehen
und schob einen weißen Umschlag durch den Briefschlitz. Die Menge jubelte,
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