Aufstand der Gerechten
mehr
Grüppchen aus der Menge und entfernten sich von Huttons Haus. Einige von ihnen
wirkten ein wenig nachdenklich gestimmt von der ganzen Aktion, andere schienen
davon befeuert worden zu sein und unterhielten sich lebhaft mit ihren Nachbarn.
Als ich gerade meinen Garda-Mantel auszog und wieder ins Auto stieg, kam eine
solche Gruppe an mir vorüber. Ich knallte die Tür zu und beobachtete die
Demonstranten durch die Windschutzscheibe. Einer fing im Vorbeigehen meinen
Blick auf und nickte. Er hatte ein schmales Gesicht, braune zerzauste Haare und
eine getönte Brille. Ehe ich ihn mir genauer ansehen konnte, war er schon an
meinem Auto vorbei und in der sich auflösenden Menschenmenge verschwunden. Die
ganze Nacht über lag mir der Name des Mannes auf der Zunge, doch es gelang mir
nicht, ihn zuzuordnen.
9
Montag, 5. Februar
Ich verschlief und kam erst um kurz vor halb elf in
Letterkenny an, wo Kieltys Obduktion vorgenommen werden sollte. Ich hatte nicht
einmal Zeit gehabt, auf der Wache Bescheid zu geben, wo ich zu finden war.
Als der Rechtsmediziner, Dr. Joseph Long, seine Untersuchung beendet
hatte, ging ich zu ihm, um mit ihm zu sprechen. Die verkohlte Leiche von Martin
Kielty – denn sie war tatsächlich als Kieltys identifiziert worden – lag nun im
Nebenraum auf einer Tragbahre, von einem fleckigen grünen Tuch bedeckt. Ein Assistent
wusch den Stahltisch ab, auf dem die Obduktion durchgeführt worden war. Die
zahnärztlichen Unterlagen, die ich ins Krankenhaus gebracht hatte, passten zur
Leiche, und da nicht die Möglichkeit einer visuellen Identifizierung oder eines
Fingerabdruckabgleichs bestand und man in Letterkenny nicht über eine
Krankenhausakte des Toten verfügte, würde der Zahnstatus zur Identifizierung
genügen müssen, sagte Dr. Long.
»Die Leiche weist schwere Verbrennungen auf«, stellte er fest,
während er sich die Hände wusch. »Die Todesursache war allerdings eine
Messerverletzung. Da war eine Stichwunde über der achten Rippe auf der linken
Seite des Brustbeins. Die Klinge ist durch die Lunge gedrungen und hat tödliche
Blutungen ausgelöst. Es gab keine Spuren von eingeatmetem Ruß oder Asche, wie
man es bei einem Brandopfer erwarten würde. Ebenso wenig finden sich an den
weniger verbrannten Hautstellen Anzeichen einer vitalen Reaktion auf die
Verbrennungen. Er war bereits einige Stunden tot, ehe der Brand ausbrach.«
»Keine Schusswunde?«, fragte ich.
Dr. Long schüttelte den Kopf. »Nein.« Mulrooney hatte recht
behalten.
Erneut fragte ich mich, woher die Schüsse dann gekommen sein
mochten. Vielleicht hatten die Quigleys sich geirrt.
»Was ist mit dem Todeszeitpunkt?«
»Sehr schwer zu sagen. Bei einer so stark verbrannten Leiche wie
dieser ist die Lebertemperatur unzuverlässig. Ich habe eine Probe der
Glaskörperflüssigkeit entnommen, um die Kaliumkonzentration zu messen, aber
selbst damit wird es eine reine Schätzung bleiben.«
»Der Brand wurde nach vier Uhr morgens gemeldet. Um halb drei hat es
eindeutig noch nicht gebrannt – wir haben einen Zeugen. Kieltys Telefon wurde
seit Viertel nach zehn am Vorabend nicht mehr benutzt.«
»Das klingt wie ein plausibler Zeitrahmen«, meinte Dr. Long. »Weiter
kann ich den für Sie ohnehin nicht eingrenzen.«
»Sonst noch etwas?«
»Ich habe Abstriche von der Haut des Opfers genommen. Die Schwere
der Verbrennungen deutet darauf hin, dass er mit irgendeinem Brandbeschleuniger
begossen wurde. Sobald ich mehr weiß, schicke ich Ihrem Superintendent die
Informationen.«
Ich wollte den Gestank der Einbalsamierungsflüssigkeiten
im Obduktionssaal nicht länger als nötig einatmen, daher verabschiedete ich
mich und ging hinaus auf den Parkplatz und zündete mir eine Zigarette an. Mit
einem erleichterten stummen Seufzer lehnte ich mich ans Auto. Kielty war schon
vor Ausbruch des Brandes tot gewesen; er hatte sich nicht bewegt, als er in den
Flammen gelegen hatte; ich hätte ihn nicht retten können. Aber Sam Quigley
hatte sein Leben hingegeben, um jemanden zu retten, der nicht mehr zu retten
gewesen war, wie mir mit plötzlicher Traurigkeit klar wurde. Dennoch:
Derjenige, der Kielty getötet und den Brand in der Scheune gelegt hatte, war
auch für Quigleys Tod verantwortlich. Und in dieser Sache konnte ich etwas
unternehmen.
Kielty hatte von seinem Haus in Carrigans aus Drogen verkauft. Ich
vermutete, dass er mit – oder für – Lorcan Hutton gearbeitet hatte, von dem wir
noch immer keine Spur hatten. Freitagabend war
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