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Aufstand der Gerechten

Aufstand der Gerechten

Titel: Aufstand der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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Mr Williams. Damit Sie ihn so in
Erinnerung behalten, wie er war, hm?«
    Er sah auf meine Hand und starrte mich dann solange an, bis ich ihn
losließ. Er ging an mir vorbei und blieb erneut stehen.
    Ein Schrei schien ihm im Hals stecken zu bleiben, als hätte der
Anblick der Leiche ihm den Atem verschlagen. Ich versuchte, Caroline
zurückzuhalten, doch sie riss sich los und stürzte zu ihrem Sohn. Ein paar
Meter vor ihm blieb sie stehen, die Arme hingen kraftlos herab. Simon stand
über der Leiche und hatte die Hände auf den Mund gepresst. Sehr langsam ging
Caroline zu ihrem Sohn und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen. Sie streckte
die Hand aus und berührte seinen Kopf, ihre Hände strichen sehr sachte über
sein Haar. Dann hörte ich einen klagenden Laut, der immer mehr anschwoll und
das Tosen der Wellen, die auf den Strand schlugen, übertönte. Schließlich
öffnete Caroline den Mund, und ein einzelner wilder Schmerzensschrei schien
sich ihr förmlich zu entreißen und in der Luft zu schweben.
    Langsam ging ich auf die beiden zu. Der Arzt aus Sligo hatte eine
Beileidsbekundung gemurmelt und ging nun über den Strand zum Hotel. Als er an
mir vorbeikam, nickte ich ihm zu und sagte ihm, ich würde bald nachkommen.
Simon kniete jetzt mit tränenüberströmtem Gesicht neben Caroline im Sand und
rang nach Luft. Ich ging auf Carolines anderer Seite in die Knie und legte ihr
den Arm um die Schultern. Trotz der Anwesenheit ihres Mannes lehnte sie sich an
mich, und ich wartete mit den beiden, während der schwere graue Atlantik unter
violetten Wolkenwirbeln über den Strand auf uns zurollte.
    Simon hielt wie im Gebet die Hände vors Gesicht. »Ich habe Angst …
ich habe Angst, ihn zu berühren.«
    »Schon gut«, sagte ich.
    »Das ist mein Sohn, und ich kann ihn nicht berühren.«
    Mir fiel nichts ein, was ich diesem Mann hätte sagen können. Ich
wusste, dass Simon wenig Zeit für Peter gehabt hatte, als der Junge noch klein
gewesen war – genau genommen hatte er ihn beinahe zehn Jahre lang nicht
gesehen. Obwohl ich persönlich wie auch von Berufs wegen den Drang verspürte,
einen trauernden Vater zu trösten, fand ich es schwierig, Simon anzusehen, ohne
mich zugleich daran zu erinnern, wie oft er seine Frau verletzt und wie sehr er
seinen Sohn vernachlässigt hatte.
    »Ich habe ihn auf die Welt kommen sehen.« Mit beinahe flehentlicher
Miene wandte er sich mir zu. »Ich musste ihn sehen … verstehen Sie?«
    Ich nickte schweigend und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er
wandte sich an Caroline und schüttelte dabei meine Hand ab.
    »Das ist deine Schuld«, sagte er.
    Hinter uns rollte ein Brecher heran, schlug explosionsartig auf den
Strand und besprühte die Leiche von Peter Williams mit Meeresschaum.
    Bald darauf wurde Peters Leiche vom Bestattungsunternehmer
zur Obduktion ins Sligo General Hospital gebracht. Ich hatte darum gebeten,
auch toxikologische Untersuchungen vorzunehmen. Zwar hatten die Jungen, die mit
Peter gezeltet hatten, zugegeben, dass Alkohol getrunken worden war, doch ich
wollte genauere Angaben zu den Mengen, die er vor seinem Tod zu sich genommen
hatte.
    Wir gingen ins Hotel, wo der Manager uns einen Raum sowie Tee und
Sandwiches zur Verfügung gestellt hatte. Unterwegs sprach Simon kaum.
    Als wir das Hotel betraten, war es dort so warm, dass mir der
Schweiß ausbrach, obwohl meine Haut sich vom Wind noch immer taub anfühlte.
Caroline weinte jetzt nicht mehr und beschäftigte sich damit, den Tee einzuschenken.
Simon stand abseits und telefonierte; er erzählte einer Partnerin oder einem
anderen Angehörigen von den Ereignissen. In den vergangenen zehn Jahren hatte
er sich nicht sehr verändert. Er war von kleiner, gedrungener Gestalt –
vielleicht eins zweiundsiebzig – und übergewichtig, was sich vor allem um die
Körpermitte herum zeigte. Seine rotblonden Haare lichteten sich bereits, er
trug sie über den Scheitel gekämmt, um die zunehmende Kahlheit zu verbergen.
Seine Arme waren schwer, und die fleischigen kurzen Finger wurden durch die goldenen
Ringe noch betont. Er trug eine Brille mit selbsttönenden Gläsern, die sich
sogar hier im Konferenzsaal des Hotels ein wenig verdunkelt hatten. Er
erwiderte meinen Blick ohne erkennbare Gefühlsregung, während er weiter
telefonierte.
    »Das war unfair – was er zu Ihnen gesagt hat. Es ist nicht wahr«,
sagte ich, als Caroline mir eine Tasse Tee reichte.
    Sie sah mich an, und ihre Lider sanken ein wenig herab. »Er ist
außer sich. Er

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