Aufstand der Gerechten
Kaffeebecher auf halbem Weg zum Mund inne und sah mich verwirrt an.
»Ich habe darum gebeten, dass bei der Obduktion auch toxikologische
Untersuchungen vorgenommen werden«, sagte ich.
Er stellte den Becher auf den Schreibtisch. »Warum?«
»Ein Fünfzehnjähriger, der von einer Klippe stürzt, scheint mir ein
bisschen ungewöhnlich. Er war mit Freunden zelten. Vielleicht hat ihm jemand
etwas untergeschoben.«
Patterson lachte laut auf. »Hängt davon ab, was man unter ›etwas
untergeschoben‹ versteht.«
»Er war Carolines Sohn, Harry. Himmel, haben Sie doch ein bisschen
Mitleid.«
»Das war Zeit- und Geldverschwendung, Devlin.« Unvermittelt wurde er
wieder ernst. »Was soll das bewirken? Was soll’s, wenn die rausfinden, dass er
etwas genommen oder jemand ihm was untergeschoben hat? Was machen Sie dann? Er
ist von einer Klippe gestürzt, verdammt noch mal! Es hat ihn keiner geschubst –
er ist von allein gefallen.«
»Ich möchte etwas tun – um Carolines willen.«
»Haben Sie mit ihr geredet? Hatten die beiden Streit? War es etwas,
was sie gesagt hat?«
»Ich finde, das ist nichts, worüber man Scherze macht, Harry.« Ich
stand auf, um zu gehen.
»Versuchen Sie herauszufinden, warum sie verdammt noch mal einen
Fünfzehnjährigen Anfang Februar am Strand zelten lässt«, schlug er vor, sah
kurz zu mir hoch und wandte sich dann den Papieren zu, die er seit einer Weile
auf dem Schreibtisch hin und her schob. »So, was ist jetzt mit dem echten
Mordfall, in dem Sie ermitteln sollen?«
»Da gibt es nicht viel zu berichten. Er wurde in die Brust gestochen
und in Brand gesteckt. Die Spurensicherung hat Spuren von Drogen in der Scheune
gefunden, aber auch nicht viel mehr. Die Zeugenaussagen sind offenbar
verwirrend. Die Nachbarin hat um zehn ein blaues Auto vor dem Haus parken
sehen. Der Milchmann hat um zwei Uhr morgens einen weißen Transporter mit
Nummernschild aus dem Süden dort gesehen. Der Rechtsmediziner kann den
Todeszeitpunkt nicht genau angeben, doch das spielt eigentlich keine Rolle.
Kielty ist nach Viertel nach zehn am Abend seines Todes nicht mehr ans Telefon
gegangen. Ich vermute, dass er etwa um diese Uhrzeit gestorben ist.«
»Warum haben sie dann bis zwei Uhr morgens da herumgehangen?«
»Vielleicht haben sie das gar nicht. Vielleicht war es jemand
anderes – ein Kunde vielleicht?«
»Oder vielleicht haben sie ihn auch getötet, haben den Transporter
geholt und sind zurückgekommen, um seinen Bunker zu holen. In der Scheune
wurden nur Spuren von Drogen gefunden. Wenn er gedealt hat, wo ist dann das
ganze Zeug?«
»Ein Raubüberfall, bei dem etwas schiefgegangen ist?«
Patterson zuckte die Achseln. »Möglich. So oder so, er hat bekommen,
was er verdient hat. Wenn die Leute sich diesen Lebensstil aussuchen, dann
müssen sie auch mit dem Risiko leben.«
»Er hat nicht verdient zu sterben, Harry«, sagte ich. »Niemand verdient
das.«
»Ersparen Sie mir den sentimentalen Liberalen, Devlin. Der Mann war
ein Dreckskerl.«
»Das mag sein, Harry, aber seine Tochter wird jetzt vaterlos aufwachsen.
Dafür muss jemand die Verantwortung übernehmen.«
»Ohne ihn ist sie besser dran«, murmelte Harry. »Außerdem war es
vermutlich sowieso einer von seiner eigenen Sorte, der das getan hat. Was ist
mit dieser Verbindung zu Lorcan Hutton? Schon irgendeine Spur von ihm?«
»Bis jetzt nicht«, gab ich zu. »Ich denke, diese Rising-Aktion neulich
hat ihn vielleicht in den Untergrund getrieben.«
»Apropos«, sagte Patterson und durchsuchte die Papiere auf seinem
Schreibtisch, nahm ein Blatt und reichte es mir. »Das Lokalradio möchte mit
einem von den hiesigen Bürgerinitiativen, die The Rising unterstützen, und
einem Angehörigen von An Garda ein Interview zu den Drogenproblemen in Lifford
machen.«
»Es gibt keine Drogenprobleme in Lifford«, wandte ich ein.
»Das höre ich gern. Ich wusste, Sie sind der richtige Mann für den
Job.« Patterson lächelte verlogen. »Ich habe auch Rory Nicell gesagt, dass Sie
sich bei ihm melden. Er ist beim Rauschgiftdezernat für unsere Region. Er wird
Sie vor dem Interview instruieren; vielleicht kann er Ihnen ja auch bei Kielty
helfen. Seine Kontaktdaten stehen auf der Rückseite, zusammen mit dem Zeug über
das Interview.«
»Wer ist der andere Teilnehmer?« Ich überflog das Blatt, auf dem nur
Zeit und Ort standen: morgen Mittag um dreizehn Uhr im lokalen Radiosender.
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Drücken Sie Williams mein
Beileid aus«,
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