Aufstand der Gerechten
schloss er und wandte sich bereits ab, während er mit dem Stift
in der Hand zur Tür deutete.
Ich rief Rory Nicell unter der Nummer an, die Patterson mir gegeben
hatte, geriet aber an einen Anrufbeantworter. Ich hinterließ eine kurze
Nachricht, in der ich erklärte, wer ich war und dass Patterson mich informiert
habe, und schloss mit der Bitte, er möge mich bei Gelegenheit zurückrufen.
12
Meine Eltern willigten ein, an diesem Abend auf die Kinder
aufzupassen, damit Debbie und ich zu Peter Williams’ Totenwache fahren konnten.
Es regnete die ganze Fahrt über, der Regen fiel in feinen Fäden, die schräg
wieder von der Fahrbahn abprallten. Debbie war ungewöhnlich still und sah aus
dem Fenster.
»Was ist los, Debs?«, fragte ich und tätschelte ihr das Knie.
Sie nahm meine Hand, sah mich aber noch immer nicht an. »Ich habe
nur über Penny und die Party morgen nachgedacht. Sie ist so aufgeregt deswegen.«
»Ich finde immer noch, dass sie zu jung ist«, wagte ich, halb im
Scherz, anzumerken.
»Sie ist groß geworden, ohne dass wir es gemerkt haben.« Nun sah
Debbie mich an.
»Sie ist immer noch ein Kind. Sie hat ja nicht vor, zu heiraten.«
»Das ist aber der Anfang. Sie will da hin, weil auch ein Junge aus
ihrer Klasse da sein wird, den sie toll findet.«
Das löste Gefühle in mir aus, für die ich keine Worte fand.
»Das hast du schon mal gesagt. Wer ist es denn?« Ich musste
schlucken.
»Irgendein neuer Junge. Sie schwärmt richtig für ihn.«
»Das werden wir schnellstens unterbinden.« Auch dies sagte ich halb
im Scherz.
»Es ist richtig süß.« Debbie lächelte. »Ihr erster Schwarm. Zumindest
kann sie mir so etwas erzählen. Ich fände es furchtbar, wenn sie das Gefühl
hätte, sie könnte uns das nicht erzählen, du nicht auch?«
»Hm-hm«, stimmte ich zu. Ein Teil von mir hätte auf das Wissen, dass
meine Tochter für jemanden schwärmte, gut verzichten können. Aber ein anderer
Teil von mir dankte Gott, dass ich noch eine Tochter hatte, die gesund und
munter genug war, um überhaupt für jemanden zu schwärmen, während wir uns der
Totenwache für Peter Williams näherten.
Wir kamen kurz vor dem Wagen, der den Sarg mit Peters
Leiche transportierte, beim Haus von Carolines Eltern an. Vor dem Haus stand
schon eine Gruppe von Leuten. Ich trat zur Seite, als der Sarg aus dem Heck des
Leichenwagens gehoben wurde und mehrere Männer ein wenig verlegen hinzutraten,
um Peter Williams’ Gewicht gemeinsam zu schultern und den Sarg durch die schmale
Eingangstür ins Haus zu manövrieren. Die Bestatter gingen langsam neben ihnen
her und hielten Schirme hoch, doch der Regen prasselte trotzdem beinahe
ungehindert auf den Sargdeckel. Ich war überrascht über die Größe des Sargs.
Ich hatte wohl etwas Kleineres erwartet – es war mehrere Jahre her, dass ich
Peter Williams gekannt hatte.
Wir versammelten uns zunächst im Hausflur, während die Angehörigen
im Obergeschoss am Sarg ihre Gebete sprachen. Als der Rosenkranz zu Ende
gebetet war, führten Carolines Eltern den Priester wieder nach unten. Nun saß
er auf einem der Holzstühle, die man aus der Küche geholt hatte, und
balancierte eine Tasse Tee und ein Sandwich auf den Knien. Carolines Vater John
nickte uns zu und bedeutete uns, wir könnten hinaufgehen.
Die Treppe war schmal, und als andere Trauergäste uns entgegenkamen,
mussten wir stehen bleiben und uns an die Wand drücken, damit sie
vorbeikonnten. Am oberen Treppenabsatz nickte uns ein mir unbekannter Mann
mittleren Alters in weißem Hemd und schwarzer Hose feierlich zu und deutete mit
der offenen Hand auf das Zimmer, in dem der Sarg aufgebahrt war.
Das Zimmer war winzig, dabei hatte man die meisten Möbel entfernt.
Peters Sarg ruhte auf einem Gestell an der Wand hinter der Tür. Den Deckel
hatte man nicht abgenommen, denn Peters Leiche war so entstellt, dass auch der
erfahrenste Bestatter nichts ausrichten konnte. Ein Stapel Totenmesskarten lag
auf dem Deckel, und Debbie legte unsere obendrauf. Neben dem Sarg saß Caroline
Williams. Ihre Hand ruhte leicht auf dem Messingkruzifix in der Mitte des
Sargs, und zwei Frauen, die sich als ihre Cousinen vorstellten, standen links
und rechts von ihr. Als Caroline Debbie sah, lächelte sie traurig, dann
verzerrte sich ihr Gesicht, und sie weinte. Debbie eilte zu ihr, und sie
umarmten sich. Links von mir standen vier gerade Holzstühle von der gleichen
Machart, wie ich sie auch unten gesehen hatte. Auf dem äußersten Stuhl saß
Simon
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