Aufstand der Gerechten
meint das nicht so.«
Ich wartete, weil ich dachte, sie würde noch etwas hinzufügen, doch
sie trank lediglich von ihrem Tee. Sie saß aufrecht da, die Füße gekreuzt, die
Schultern nach vorne gezogen, so als zöge sie sich auch körperlich in sich
selbst zurück.
Die Luft im Raum fühlte sich ungewöhnlich an, das Licht erschien
ruhig und grau. In der Ferne hörten wir das erste dumpfe Grollen eines
Gewitters. Schwere Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheiben und
hinterließen schmutzige Streifen in der feinen Sandschicht darauf.
Simon beendete sein Telefonat, indem er sein Handy zuschnappen ließ,
und kam zu uns. Allerdings blieb er stehen, während wir saßen.
»Wo ist mein Tee?«, fragte er und sah Caroline an.
»Ich hole ihn dir.« Sie stand so abrupt auf, dass sie ihren eigenen
Tee auf ihre Hand und ein Hosenbein verschüttete. »Scheiße«, fluchte sie und
suchte nach einer Stelle, wo sie Tasse und Untertasse abstellen konnte.
Ich stand auf und wollte eine Handvoll Servietten vom Tisch nebenan
nehmen, doch dafür musste ich an Simon vorbeigreifen. Er ging erst aus dem Weg,
als ich ihn darum bat.
Als ich mich endlich mit den Servietten Caroline zuwandte, hatte sie
sich die Hände schon am Pullover abgetrocknet und schenkte Simon Tee ein. Er
erwiderte meinen Blick, ihm kann nicht entgangen sein, wie zornig ich war.
»Er ist immer noch ein Arschloch«, sagte ich später zu
Debbie. Ich hatte Caroline und Simon zu dem Bed & Breakfast begleitet, in
dem sie beide, wenn auch in separaten Zimmern, übernachteten, ehe ich nach
Hause gefahren war, um etwas zu essen. Peters Leiche würde erst am nächsten
Morgen für die Totenwache freigegeben und zu seinen Großeltern nach Sligo
gebracht werden.
»Er hat ein Kind verloren, Ben«, erwiderte Debbie. Sie spülte das
Geschirr ab, während ich noch zu Ende aß. Als ich zu Hause angekommen war,
hatte meine Familie bereits gegessen, und Penny und Shane lagen im Bett.
»Als Peter noch lebte, hat er sich einen feuchten Kehricht für ihn
interessiert. Caroline war die, die sich um ihn gekümmert hat. Sie trauert
auch, aber sie macht nicht so ein Theater darum.«
»Du darfst dich da nicht einmischen.« Debbie legte das Geschirrtuch
hin, kam zum Tisch und setzte sich. »Du weißt doch, wie Ehen funktionieren. Du
musst dich da raushalten.«
»Es gefällt mir nicht, wie er Caroline behandelt.«
»Sie ist ein großes Mädchen, Ben. Sie braucht dich nicht als
Aufpasser.«
»So habe ich sie nicht in Erinnerung. Früher hat Caroline sich von
niemandem etwas gefallen lassen.«
»Ihren Partnern gegenüber sind die Menschen anders. Vielleicht ist
das ihre Art, zu trauern. Vielleicht ist es leichter für sie, wenn sie nicht
kämpft. Egal wie sie mit ihrem Ehemann umgeht, du musst es respektieren.«
Sie stand auf. Dann fügte sie düster hinzu: »Und versuch, deine
Gefühle für sie unter Kontrolle zu halten.«
11
Dienstag,
6. Februar
Ich kam vor zehn Uhr morgens im Krankenhaus an. Unterwegs
hatte es so stark geregnet, dass meine Scheibenwischer selbst auf höchster
Stufe überfordert gewesen waren. Peter Williams’ Leiche sollte später am Tag
freigegeben und zum Haus von Carolines Eltern gebracht werden, wo die
Totenwache stattfinden würde. Ich hatte Caroline versprochen, sie im
Krankenhaus zu treffen.
Als ich eintraf, saßen sie und Simon in der Cafeteria im zweiten Stock.
Peters Leiche würde noch eine Stunde länger hier bleiben müssen, hatte man
ihnen gesagt, sodass sie gezwungen waren, gemeinsam im Krankenhaus zu warten.
Also hatten sie zu einem unbehaglichen Waffenstillstand gefunden.
Ich holte mir eine Tasse Tee und setzte mich zu ihnen. Obwohl ich
Caroline seit Samstag mehrmals getroffen hatte, hatte sich keine Gelegenheit zu
einem längeren Gespräch ergeben. Ehe Peters Leiche an Land gespült worden war,
hatten unsere Unterhaltungen sich um die Suche nach Peter gedreht. Über
Carolines Leben seit ihrem Wegzug aus Lifford hatten wir nicht gesprochen,
vielleicht weil die Beschäftigung mit diesem Thema sie womöglich zwingen
könnte, auch die kürzlichen Ereignisse zu überdenken und sich zu fragen, ob da
ein Zusammenhang bestand. Doch nun, nach der Entdeckung von Peters Leiche, nahm
Caroline garantiert zusätzlich zu der Obduktion, die am Körper ihres Sohnes
vorgenommen wurde, eine ganz persönliche Selbstprüfung vor, ausgelöst
zweifellos durch den Vorwurf ihres Mannes vom Vortag, sie sei in gewisser Weise
für den Tod ihres Sohnes
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