Aufstand der Gerechten
das letzte Mal gesehen
hatte, stand er am Tag seiner Gerichtsverhandlung vor dem Gerichtsgebäude in
Derry. Seitdem hatte er sich den Schnurrbart abrasiert, wodurch sein Gesicht
schmaler und jugendlicher wirkte.
»Was sind Sie … gehören Sie auch zu The Rising?«, brachte ich
schließlich hervor.
»Nicht direkt. Ich bin Sprecher der Bürgervereinigung Portnee. Wir
unterstützen The Rising in deren Anti-Drogen-Haltung. Ich bin in den
vergangenen Monaten zu so etwas wie einem Gemeindeaktivisten geworden,
Inspector.«
»Sie machen Witze«, sagte ich. »Das ist eine ziemlich große berufliche
Veränderung. Machen Sie jetzt in Drogen statt in Menschenschmuggel?«
Er lächelte und sah an mir vorbei. Der Moderator der Sendung, ein
junger Mann mit einer Vokuhila-Frisur, den ich auch schon als Moderator im
Regionalfernsehen gesehen hatte, stand an der Studiotür und hatte vermutlich
meine letzte Bemerkung gehört. »Sind Sie beide zum Interview hier?«, fragte er.
»Wer von Ihnen ist der Polizist?«
»Das wird dann wohl er sein.« Morrison deutete mit seinem
Styroporbecher auf mich. »Wir tun einfach so, als hätte er diesen letzten Satz
nicht gesagt, hm? Von wegen Verleumdung und so.«
Wir wurden in ein kleines stickiges Studio geführt. Der Moderator
nahm hinter dem Mischpult Platz, und wir bekamen zwei Stühle auf der anderen
Seite des Tischs zugewiesen, die um ein einziges Mikrofon angeordnet waren.
Damit wir gut zu hören waren, mussten wir uns beide weit zum
Mikrofon vorbeugen. Dafür mussten wir zusammenrücken, sodass unsere Knie sich
unweigerlich unter dem Tisch berührten.
»Gemütlich, was?«, bemerkte Morrison.
»So in etwa stelle ich mir die Größe Ihrer Zelle vor. Hab ich
recht?«, fragte ich lächelnd. Ich bemerkte, dass der Moderator, Laurence
Forbes, ein wenig nervös wurde, als er merkte, dass sein Interview einen
anderen Verlauf nehmen könnte, als von ihm beabsichtigt.
»Wir warten nur noch, bis die Nachrichten zu Ende sind, dann geht’s
gleich los. Mit Ihnen fange ich an, Inspector Devine, falls Sie nichts dagegen
haben.«
»Devlin«, korrigierte ich ihn ein wenig verlegen. »Ich heiße
Devlin.«
»Devlin«, wiederholte Forbes und nickte. »Und Sie sind Mr Morrison?«
»Ganz recht«, sagte Vincent Morrison. »Mr Morrison.«
Dann hörte ich die Stimme des Produzenten im Kopfhörer. Forbes hielt
die Hand hoch, um uns zu bedeuten, dass es gleich losgehen werde. Als er die
Finger zur Faust ballte und das Lämpchen über der Tür rot aufleuchtete,
murmelte Morrison in seinen Kopfhörer: »Mein Junge schmachtet regelrecht nach
Ihrer Penny.«
Diese Bemerkung war so deplatziert, dass ich mir einredete, ich
hätte mich verhört. Dennoch dauerte es einen Augenblick, bis ich merkte, dass
Forbes mit mir sprach.
»Inspector?«, wiederholte er.
»Tut mir leid. Könnten Sie das bitte wiederholen?«
Fragend sah er mich an. »Ich habe gesagt: Guten Tag, Inspector. Ich
hatte schon Angst, Ihr Kopfhörer spielt verrückt.« Er verzog das Gesicht und
machte mit der Hand eine rollende Bewegung, um mich zum Sprechen aufzufordern.
»Entschuldigung«, sagte ich. »Alles funktioniert bestens. Ich kann
Sie sehr gut hören.«
»Dann fangen wir doch mit einer Erörterung des Drogenproblems an der
Grenze an«, schlug er vor.
Ich spulte meinen eingeübten Vortrag ab. Es gebe an sich kein
Problem. In der Grenzregion habe es immer ein wenig Drogenhandel auf niedrigem
Niveau gegeben, aber nichts allzu Besorgniserregendes. Die Dealer im
Grenzgebiet seien kleine Gauner. Die Schwierigkeit bestehe darin, dass die
Leute, die der Polizei helfen könnten, häufig diejenigen seien, die die Ware
dieser Dealer konsumierten und deshalb dafür sorgen wollten, dass ihr Lieferant
auf freiem Fuß blieb, damit er sie weiter beliefern konnte.
Forbes wandte sich an Morrison. »Wenn es kein Problem gibt, wie
Inspector Devine sagt, wozu braucht das Grenzgebiet dann eine Organisation wie
The Rising?«
»Nun, ich möchte betonen, dass ich nicht zu The Rising gehöre. Ich
repräsentiere die Gemeinde Portnee. Wir glauben, dass The Rising ein dringend
notwendiges Zeichen gegen den Drogenhandel setzt«, sagte Morrison. »Wir sind
lediglich eine Gruppe von Anwohnern und Eltern, die ihre Bedenken über die
Verfügbarkeit von Drogen in unseren Schulen und Städten äußern wollen. Das
Drogenproblem in Irland hat sich von den Großstädten in die ländlichen Gegenden
verlagert. Unsere Sorge gilt dem Umstand, dass dies einfach zugelassen
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