Aufstand der Gerechten
schmetterte ihn dann mitten in sein Gesicht. Ich spürte, wie
der Knorpel in seiner Nase an meiner Stirn platt gedrückt wurde.
»O Gott!«, schrie er auf und stürzte zu Boden.
»Sie haben sie dazu gebracht, stimmt’s?«
Er rollte sich wie ein Fötus zusammen und sah durch die Ellenbeuge
zu mir hoch.
»Sie haben sie die ganze Nacht hindurch angerufen. Sie haben sie
dazu getrieben, es zu tun, oder?«
»Was zu tun?«, fragte er und spuckte Blut auf den Teppich.
»Sie hat heute Morgen eine Überdosis genommen. Ist es das, was Sie
wollten?«
Sofort veränderte sich seine gesamte Haltung, und er sah mich
beinahe verzückt an. »Ist sie tot?«, fragte er, und die Hoffnung in seiner
Stimme war nicht zu überhören. Aber zugleich spannte er sich an und hielt sich
die Arme vors Gesicht, als rechnete er damit, dass ich ihn erneut schlagen
würde.
»Hassen Sie sie so sehr?«
Er schien zu glauben, mein Zorn sei verraucht, und entspannte sich
ein wenig. Sein blutbefleckter Mund verzog sich sogar zu einem Lächeln.
»Hat sie sich von Ihnen ficken lassen?«
Er hatte das Ausmaß meines Zorns falsch eingeschätzt.
22
Samstag,
10. Februar
Am nächsten Morgen hing der Himmel bleiern über den Bergen
des Donegal, und ein dichter Dunstschleier verhüllte die höheren Gipfel. Mir
tat der ganze Körper weh, mein Kopf fühlte sich benommen an.
Debbie war bereits im Bett gewesen, als ich gestern Abend nach Hause
gekommen war. Beim Frühstück sprachen wir kaum. Penny aß rasch auf und ging
nach oben, um sich umzuziehen. Shane schaute sich irgendetwas im Fernsehen an.
»Wie geht’s meinem Kumpel?«, fragte ich ihn und zwang mich zu einem
leichten Ton, obwohl mir nicht danach war.
»Prima.« Er schaufelte sich Frosties in den Mund und wandte seine
Aufmerksamkeit sofort wieder dem Fernseher zu.
Ich hätte gern mit Debbie über das gesprochen, was ich getan hatte,
merkte jedoch, dass ich zum ersten Mal unsicher war, wie sie es aufnehmen
würde. Am Ende sprach sie das Thema selbst an.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit einem Mann verheiratet sein
würde, der Prellungen an den Fingerknöcheln hat.« Sie räumte den Tisch ab. »Wer
hat deinen neuesten Wutanfall abbekommen?«
»Simon Williams.« Ich wartete ihre Reaktion ab.
»Hast du wieder mal Carolines Verteidiger gespielt?«, gab sie zurück
und wandte sich von mir ab.
»Er hat sie zu dem Selbstmordversuch getrieben. Er hat sie nach der
Beerdigung mindestens fünfzig Mal angerufen.«
Debbie ging zur Spüle und stellte das Geschirr hinein. Sie stützte
sich auf die Arbeitsplatte, drehte sich aber nicht zu mir um.
»Er ist ein brutaler Kerl, der nur Schwächere schikaniert. Er musste
es einmal mit jemandem zu tun bekommen, der ihm gewachsen ist.«
»Und wie findet Caroline, dass du ihren Mann zusammenschlägst?«
»Ich habe es ihr nicht gesagt.«
»Was ist mit Patterson? Was wird der tun, wenn Simon Anzeige
erstattet?«
»Ich weiß es nicht. Sollte ich es ihm erzählen?«
Nun wandte sie sich zu mir um. »Du musst. Meinst du, Williams meldet
das nicht?«
Ich nickte. »Entschuldige.«
»Wofür?«
»Für diesen ganzen Scheiß. Das mit Penny und so.«
Sie murmelte etwas und wandte sich wieder ab.
»Was? Was ist jetzt wieder?«
»Nichts.«
Sie stand mit dem Rücken zu mir da.
Schließlich fragte ich: »Debs, hier geht es doch nicht um Caroline,
oder?«
»Du fährst doch ständig da runter, um sie zu sehen.« Sie bemühte
sich gar nicht erst, die Verletzung aus ihrer Stimme herauszuhalten.
»So ist das doch gar nicht«, sagte ich und ging zu ihr, doch sie hob
die Hände und wich vor mir zurück.
»Natürlich ist das so«, sagte sie schlicht. »Du verbringst dieser
Tage mehr Zeit mit ihr als mit jedem von uns.«
»Sie hat ihren Sohn verloren, um Himmels willen.«
»Und du verlierst gerade eine Tochter«, erwiderte Debbie ruhig. »Du
verlierst deine ganze Familie. Aber das scheint dich nicht zu kümmern.«
Ihre Worte gingen mir noch durch den Kopf, als ich nach
Letterkenny fuhr, um mit Patterson über das Ergebnis von Lorcan Huttons
Obduktion zu sprechen und mich zu erkundigen, was die Spurensicherung in
Huttons Haus und Hamills Wagen gefunden hatte. Ich wusste auch, dass ich
Patterson würde erzählen müssen, was in Sligo vorgefallen war. Offen gesagt war
ich überrascht, dass meine Tat noch keine Folgen nach sich gezogen hatte.
Als ich auf der Wache eintraf, stand Patterson am Empfang und wurde
von einem Radioreporter zu Huttons Tod interviewt.
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