Aufstand der Gerechten
möchten«, bot ich an. »Wenn Sie ein
paar Sachen holen wollen. Falls das hilft.«
Nach einigem Hin und Her willigte Rose McCrudden ein, mit mir zu
Carolines Haus zu fahren. Ich vermutete, Caroline benötigte Kleidung und
Unterwäsche. Und ich wusste, ihr Vater würde ihr so schnell nicht mehr von der
Seite weichen.
In Carolines Haus waren die Vorhänge noch zugezogen. Während
ihre Mutter nach oben ging, um die Kleidung zu holen, machte ich unten ein
wenig Ordnung und zog die Vorhänge auf, um Licht hereinzulassen. Dann ging ich
nach oben ins Bad. Ich vermutete, dass dort noch niemand etwas angerührt hatte,
seit ihr Vater sie gefunden hatte. Und tatsächlich war die Badewanne noch
voller Wasser, in dem Carolines Erbrochenes schwamm, das auch an die Seitenwände
gespritzt war. Ein leeres Tablettenfläschchen lag neben Carolines Kleidung auf
dem Boden, und auf ihrer schwarzen Hose lag wie in einem Nest eine leere
Weinflasche.
Dann hörte ich ein Summen und entdeckte Carolines Telefon auf der
Fensterbank. Ich nahm es und sah aufs Display, doch ich kannte die Nummer des
Anrufers nicht. Ich rief nach Rose McCrudden, vielleicht wollte sie den Anruf
ja entgegennehmen, doch als sie kam, hatte der Anrufer bereits aufgelegt. Zu
meiner Verblüffung hatte Caroline zweiunddreißig entgangene Anrufe. Ein und
dieselbe Nummer war seit gestern Abend über fünfzig Mal verzeichnet,
unterbrochen nur von einem einzigen ausgehenden Telefonat: um fünf nach sieben
heute Morgen mit »MUM«. Einige der Telefonate hatten eine Viertelstunde
gedauert, andere nur wenige Sekunden. Der eingehende Anruf unmittelbar vor
Carolines Telefonat mit ihrer Mutter hatte vierzig Minuten gedauert. Sämtliche
Telefonate mit der unbekannten Nummer waren eingehende Anrufe gewesen. Der
Umstand, dass Caroline die Nummer nicht eingespeichert und in ihrem Adressbuch
nicht mit einem Namen versehen hatte, deutete darauf hin, dass es sich um jemanden
handelte, mit dem sie keinen Kontakt wünschte. Ich konnte mir gut vorstellen,
wer das war.
Ich setzte Rose McCrudden wieder am Krankenhaus ab und verließ
Sligo dann in Richtung Rosses Point, einem Gebiet mit Sandstränden, das Yeats
mit seiner Lyrik berühmt gemacht hat. Ich kannte nur ein Hotel in der Gegend
und wollte auf Nummer sicher gehen.
Ich fragte an der Rezeption nach Simon und erklärte, er erwarte
mich. Die junge Rezeptionistin – dem Akzent nach eine Polin – gab mir die
Zimmernummer und sagte, sie werde ihn anrufen und mich ankündigen.
»Ich rufe ihn auf seinem Handy an«, sagte ich. »Könnten wir nur
rasch überprüfen, ob ich die richtige Nummer habe? Ich weiß nicht mehr, ob es
seine berufliche oder seine private Nummer ist.« Ich las die Nummer von
Carolines Handy ab.
»Ich darf die Telefonnummern von Gästen nicht herausgeben«, erklärte
sie.
»Doch, das dürfen Sie.« Ich zückte meinen Ausweis.
Sie biss sich auf die Unterlippe und sah auf den Bildschirm vor
sich, als könnte sie dort die Lösung für ihre missliche Lage finden. Sie sah
sich um.
»Es ist ja nicht so, als wollte ich ihn erschießen. Sie müssen mir
die Nummer auch nicht geben. Ich brauche nur die Bestätigung, dass ich die
richtige Nummer habe.«
Widerstrebend willigte sie ein. Ich las die Nummer erneut vor, und
sie verglich sie mit der auf ihrem Bildschirm. Stumm sprach sie die einzelnen
Ziffern nach.
»Das ist die Nummer, die wir für Mr Williams verzeichnet haben.«
»Danke. Sie haben mir sehr geholfen.«
Ich klopfte zwei Mal leicht an die Tür, so als wäre ich
der Zimmerservice, dann trat ich zurück, sodass ich durch den Spion nicht zu
sehen war. Schließlich hörte ich, wie das Schloss entriegelt wurde, dann
öffnete sich die Tür.
Simon Williams trug seine Brille nicht, daher blinzelte er mich noch
an, als meine Faust ihm die Nase brach. Er stürzte rückwärts ins Zimmer und
stolperte über seine Reisetasche. Das helle Blau seines Hemdes färbte sich
dunkel vom Blut. Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir, während Williams
von mir wegkrabbelte.
»Ich rufe die Polizei«, stammelte er.
Ich spuckte aus, dann stürzte ich mich auf ihn und zerrte ihn am
Hemdkragen vom Boden hoch. Ich warf ihn so wuchtig gegen die Wand, dass seine
Hemdknöpfe abrissen. Mit dem Kopf schlug er gegen einen gerahmten Druck und
zertrümmerte das Glas.
Er versuchte zu schreien, während er zugleich begann, mit mir zu
ringen, und die Hände in meinen Hals krallte. Ohne nachzudenken, riss ich den
Kopf zurück und
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