Aufstand der Gerechten
er mein Auto kommen gehört, denn er öffnete die
Haustür, ehe ich klopfen konnte. In grauen Trainingshosen und einem T-Shirt,
über denen er einen offenen Bademantel trug, stand er im Türrahmen.
»Sie sind früh auf«, sagte ich.
»Kommen Sie herein«, erwiderte er und hielt mir die Tür auf, sein
Gesicht eine Maske des Mitleids. »John konnte nicht schlafen.«
Er drehte sich um und ging durch die dunkle Diele, ich folgte ihm in
die Küche, einen großen hellen Raum voller chromglänzender Gerätschaften und
schwarzer Granitoberflächen. Auf dem Tisch stand eine dampfende Kanne Kaffee
neben einer glimmenden Zigarette, die auf der Untertasse seiner Kaffeetasse
einen braunen Fleck erzeugte.
»Kaffee?«, bot er an und nahm eine zweite Tasse.
»Ja. Bitte.«
»Wie geht es ihr jetzt?«
»Sie schläft immer noch.«
Er nickte. »Ich habe im Krankenhaus angerufen, aber sie wollten mir
nichts sagen.«
Ich wollte etwas einwenden, doch er ließ mich nicht zu Wort kommen.
»Ich hatte nichts damit zu tun, falls Sie das denken.«
Ich setzte mich an den Tisch, nahm die Tasse von ihm entgegen,
traute mich nicht zu sprechen.
»Es war ein Unfall. Sie hat einen Helm bekommen und sollte ihn
tragen, aber er muss ihr vom Kopf gerutscht sein oder so. Ich schwöre, ich
hatte nichts damit zu tun.«
Er sagte das so, wie man eine schlichte Tatsache feststellt, überhaupt
nicht defensiv, und es schien ihn nicht zu kümmern, ob ich ihm glaubte oder
nicht.
»Ich verletze keine Kinder«, schloss er, dann setzte er sich,
drückte seine Zigarette aus und zündete sich eine neue an, ehe er mir die Schachtel
über den Tisch zuwarf.
»Wie ich höre, haben Sie ihr das Leben gerettet«, brachte ich
schließlich hervor. »Wenn Sie nicht so schnell reagiert hätten, hätte sie
vielleicht nicht so gute Aussichten.«
Morrison wedelte den Rauch vor seinem Gesicht weg und nahm seinen
Kaffee. Ich bemerkte einen Anflug von Röte in seinem Gesicht und an den Ohren.
Er zog tief an seiner Zigarette und blies den Rauch zu Boden. »Egal, was
zwischen uns ist, es betrifft nicht unsere Kinder. John hat ihr Mädchen
wirklich gern. Mehr ist da nicht.«
Schweigend tranken wir unseren Kaffee aus. Ich starrte aus dem
Fenster auf die Ställe in der Ferne. Schließlich stand ich auf, um zu gehen.
»Ich muss zurück ins Krankenhaus.«
Morrison nickte, streckte mir die Hand hin und wartete, bis ich sie
ergriff. Wir schüttelten uns die Hand, dann öffnete ich die Haustür und trat
hinaus in die Morgendämmerung.
»Mein Sohn würde Penny gerne besuchen, falls Sie nichts dagegen
haben. Ich muss nicht mit reinkommen, wenn Sie mich nicht da haben wollen, aber
er würde sie gerne sehen. Er hat höllische Schuldgefühle.«
Ich nickte kurz. »Danke für den Kaffee«, sagte ich. »Und danke, dass
Sie meine Tochter gerettet haben.«
Er lächelte bitter, dann trat er zurück und schloss die Haustür
hinter mir.
Den Großteil des Vormittags über saß ich bei Penny,
während Debbie nach Hause fuhr, um zu duschen. Ihr Zustand hatte sich nicht
gebessert, doch der Arzt versicherte mir, er habe sich auch nicht
verschlechtert.
»Sie wird aufwachen, wenn sie so weit ist«, sagte er unbekümmert,
als ob diese Versicherung den Schmerz lindern könnte, den ich empfand, wenn ich
ihr ausdrucksloses Gesicht betrachtete, das kaum wahrnehmbare Heben und Senken
der Bettdecke, das anzeigte, wie flach sie atmete.
Kurz vor Mittag kam Jim Hendry. Mit verlegener Miene betrat er den
Raum, unterm Arm trug er einen riesigen Teddybären und einige zusammengerollte
Zeitschriften. Er hustete und tätschelte mir unbeholfen die Schulter, um sein
Mitgefühl auszudrücken.
»Nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind«, sagte ich.
»Hab’s über die Buschtrommeln erfahren, Sie wissen schon.«
»Ich weiß das zu schätzen, Jim.«
Er deutete auf den Teddy, den er auf den Stuhl in der Ecke gesetzt
hatte. »Ich wusste nicht genau, wie alt sie ist. Vielleicht doch ein bisschen
zu alt für Teddybären.«
»Lieb von Ihnen.«
»Ich hab ihr auch ein paar Hefte mitgebracht.« Er reichte mir die
Zeitschriften. Die oberste war eine Frauenzeitschrift, die Debbie manchmal las.
Auf der Titelseite stand prahlerisch, das Heft enthalte Informationen über »50
Arten, Ihren Liebhaber zu befriedigen«.
»Wenn ich’s mir recht überlege, ist die hier wohl doch noch nichts
für sie«, sagte Hendry.
Er warf einen Blick zu Penny. »Wie geht’s ihr?«
»Wir wissen es nicht. Die Ärzte sagen nicht viel.
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