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Aufstand der Gerechten

Aufstand der Gerechten

Titel: Aufstand der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B McGilloway
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rauen
Mullverband an meiner Haut. Plötzlich erschien es mir merkwürdig, dass wir so
vorsichtig und leise wie möglich waren, obwohl wir doch wollten, dass sie
aufwachte.
    Debbie küsste mich flüchtig und bat mich, Shane zu sagen, sie käme
am Morgen nach Hause, wenn ich sie im Krankenhaus ablöste, damit sie duschen
und sich umzuziehen konnte.
    »Aber vielleicht ist sie morgen früh ja schon wach«, mutmaßte
Debbie. »Was meinst du?«
    »Vielleicht«, erwiderte ich.
    Auf der Heimfahrt von seinen Großeltern saß Shane auf dem
Rücksitz, hielt in jeder Hand einen Dinosaurier und ließ sie eine Weile
gegeneinander kämpfen. Irgendwann war seine Fantasie fürs Erste erschöpft, und
er legte die Dinos neben sich auf die Rückbank und beugte sich zu mir vor.
    »Wo ist Penny?«, fragte er.
    »Sie ist bei Mummy.«
    »Ist sie krank?«
    »Wie kommst du darauf, kleiner Mann?«
    »Ich hab Oma darüber reden gehört. Wird sie sterben?«
    »Natürlich nicht. Sie ist bald wieder zu Hause.«
    »Was hat sie denn?«
    Ich betrachtete ihn im Rückspiegel, seine weichen Gesichtszüge und
die leicht gerunzelte Stirn.
    »Sie ist hingefallen und hat sich am Kopf wehgetan. Die Ärzte haben
ihr geholfen, damit es ihr wieder besser geht.«
    Diese Antwort schien ihn zu beruhigen, er lehnte sich zurück und sah
aus dem Fenster. Im Licht der Straßenlaternen sah ich, dass er stumm die Lippen
bewegte.
    »Was machst du da?«, fragte ich und vermutete, dass er für seine
Schwester betete.
    »Ich zähle die Laternen«, erklärte er.
    »Warum?«
    »Wenn die letzte die zwanzigste ist, wird Penny wieder gesund.«
    »Wer hat dir das denn gesagt?«
    Er zuckte die Achseln. »Hab ich mir einfach so gedacht«, sagte er,
als würde das alles erklären.
    Nach meiner Zählung war die letzte Laterne vor unserem Haus Nummer
neunzehn. Ich schummelte und zählte sie zwei Mal.
    Nachdem ich Shane zu Bett gebracht und er sein Gebet
gesprochen hatte, ging ich in Pennys Zimmer. Halb erwartete ich, die vertrauten
Umrisse ihrer schlafenden Gestalt im Bett zu sehen, doch das Bett war gemacht,
ihr Lieblingsteddy saß auf dem Kopfkissen. Mehrere Kleidungsstücke lagen
vergessen auf dem Boden, mehrere Hosen lagen unordentlich auf einem Haufen, so,
wie sie sie vor dem Spiegel wieder ausgezogen hatte. Sie hatte wohl
verschiedene Outfits für John Morrisons Party anprobiert.
    Ich hob die Kleidungsstücke auf und hängte sie in den Schrank. An
einem ihrer Oberteile war ein kleiner Make-up-Fleck. Ich drückte es an die Nase
und atmete ihren Geruch ein, während ich gegen die Angst ankämpfte, dass sie
dieses Zimmer womöglich nie wiedersehen würde.
    In dieser Nacht schlief ich wenig. Mit einem Ruck wachte ich jedes Mal
wieder auf, kaum dass ich eingedöst war, und warf einen Blick aufs Handy für
den Fall, dass Debbie aus dem Krankenhaus angerufen hatte. Gegen zwei Uhr wurde
Shane wach, ging zur Toilette, stolperte dann in mein Zimmer und kletterte
neben mich ins Bett. Im schwachen Lichtschein, der aus dem Bad fiel, erinnerte
mich sein schlafendes Profil an das seiner Schwester. Irgendwann begann ich,
die Dekaden des Rosenkranzes zu beten, statt Schafe zu zählen, immer und immer
wieder, bis ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte.

37
    Donnerstag,
15. Februar
    Kurz nach Tagesanbruch rief ich im Krankenhaus an und
erfuhr, dass Pennys Zustand kritisch, aber stabil sei, was eigentlich
bedeutete, dass er unverändert war. Debbie schlief auf dem Stuhl neben ihrem
Bett, sagte man mir, sei aber erst eine Stunde zuvor überhaupt eingeschlafen.
Ich bat die Krankenschwester, sie nicht zu wecken, sondern ihr, sollte sie
aufwachen, zu sagen, dass ich spätestens um neun Uhr dort sein würde.
    Debbies Eltern kamen um kurz nach sieben. An ihren abgespannten
Gesichtern sah ich, dass auch sie kaum Schlaf gefunden hatten. Wir nahmen ein
leichtes Frühstück zu uns, und sie boten an, den Tag über bei Shane zu bleiben.
Um halb acht fuhr ich los, denn ich wollte unterwegs noch etwas erledigen.
    Nebel hing tief über den Weiden um Morrisons Haus, und
seine Pferde scharrten im frühen Morgenlicht sanft mit den Hufen; der Atem
kondensierte in der morgendlichen Kälte.
    Das Haus lag im Dunkeln, auf der Windschutzscheibe von Morrisons
Wagen schimmerte Tau. Im Vorbeigehen warf ich einen Blick ins Innere des Range
Rover und entdeckte auf der hellen Polsterung der Rücksitze Blutflecken, wo
Pennys Kopf gelegen haben musste, als Morrison sie am Abend ins Krankenhaus
gefahren hatte.
    Offenbar hatte

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