Aufstand der Maenner
verschollenen Sprache. - Dann erst kam ihr der Gedanke, daß es ihre Pflicht gewesen wäre, ihn als einen Feind und Zerstörer zu vernichten, und sie nahm es als ein Gottesurteil, ob er davonkommen werde oder nicht . . .
Er werde nicht, dachte sic. Jeder Umstand spreche gegen Thes. Sie lauschte . . . aber kein Lärm erhob sich. Und jetzt, da er gerettet schien, wünschte sie von Herzen das Gegenteil. Er, den sie blondlockig und bärtig gekannt hatte, war ihr nur noch ein Ungeheuer mit vielen harthufigen Beinen und rollenden Augen, ein Verschlinger alles Schönen, ein Grauen.
Doch jetzt war die Zeit vorüber, die der Entspannung und Sammlung hatte dienen sollen und doch so voller Schrecken gewesen war. Mit seinen Gehilfen trat der Duftmeister bei ihr ein. Voll Verzweiflung warf sie sich auf ihr Lager und ließ alles mit sich geschehen, ohne sich zu wehren.
Bei den Halbeingeweiten des Palastes, deren Mehrwissen ihnen dennoch die letzten Zusammenhänge nicht erschloß, hatte sich die Meinung verbreitet, daß die gegenwärtige Wandlung des göttlichen Minos bald einer anderen Platz machen würde.
Garp war sich vom ersten Augenblick bewußt gewesen, daß er als der unumschränkte Gottherrscher und Priesterkönig der Gefangenste der Gefangenen Kaphtors sei. Als solcher trug er auch um sein Fußgelenk eine Kette, zwar eine goldene, aber eine Kette. Wie hätte er den Ring um sich sprengen, wie eine Nachricht hinausgelangen lassen können? Unablässig spähte er nach einer- Möglichkeit. Bis jetzt hatte er sie nicht gefunden.
Aber deswegen gab er sich nicht wie ein gefangenes Tier, das sich verkriecht und jede Nahrung verweigert. Nur dadurch, daß er in die Rolle des Minos hineinwuchs, konnte er die Möglichkeit finden, die er ersehnte, Und es mußte schnell sein. Tuk und Thes würden nicht warten. Er entzog sich daher keineswegs den Tänzen, die er als Minos beherrschen mußte. Im Gegenteil! Garp ergänzte das Tanzen noch durch die ihm so vortrauten Übungen, mit denen man am Phasis Kraft und Gelenkigkeit gewann. Garp erhielt sich beides, und sein reger Geist stürzte sich darüber hinaus noch auf das Studium der verschollenen Sprache, die allein bei den kultischen Gesängen noch gebraucht wurde.
Dieses Zuviel war es, was bei manchen eine so pessimistische Auffassung in bezug auf seine Langlebigkeit hervorrief. Ein Minos sollte die ihm zugewiesenen Tanzschritte und Zeremonien wissen - sein Menschliches sich in Wollust verflüchtigen. Garp aber widerstand den Zeremonien wie den sonst so bewährten seelischen Beeinflussungen durch uralte Priesterkünste und schließlich auch den Frauen.
Fast nur von Frauen wurde er bedient oder vielmehr bewacht, und die wenigen Männer seiner Umgebung waren verschnitten. Aus den Novizinnen und Jungpriesterinnen, die ihr ganzes Leben Unwiderruflich den Rheakulten gewidmet hatten, wurden die schönsten für den Minos erwählt. Die genaue Kenntnis jeder Art von geschlechtlichen Regungen gehörte zu ihren religiösen Aufgaben. An den Jahrtagen ihrer Heiligtümer hatten sie sich allen Männern hinzugeben, die den Tempel dafür bezahlten. Zwar vermehrten geleistete Gelübde an solchen Tagen ihre Zahl durch weltliche Mädchen aus den Kreisen der Frommen, oft aus denen der Vornehmsten, aber die priesterlichen Mädchen waren vor allen begehrt.
Nur Garp widerstand den Allzuwissenden, um nicht wie jeder andere Minos seine Kraft bei den Frauen zu verlieren. Er war vor Lampeto geflohen und empfand keine Sehnsucht mehr nach Sipha. Nur eins hätte ihn verlocken können: ein Mädchen, das bereit gewesen wäre, ihm als Vermittlerin nach außen zu dienen. Bei keiner erschien ihm das wahrscheinlich, und ein mißglückter Versuch wäre zugleich der letzte gewesen.
Einer einzigen hätte er sich vertraut: seiner Großmutter Belit. Um Knossos’ willen hätte er es getan. Und er sah sie auch während der Zeremonien - doch das war gerade so, als lebten beide auf verschiedenen Sternen. Sonst sah er sie nicht. Er wußte nicht, daß ihr die Klugheit gebot, sich von ihm fernzuhalten. Sic war es gewesen, die ihn erhoben hatte, und nun fürchtete die wachsende Zahl ihrer Gegner, beider Gewalten könnten sich zu einer einzigen, unwiderstehlichen zusammenschließen. Denn ein Befehl des Minos war unantastbar. Wenn er sprach, hatte die Gottheit gesprochen, und der widerstrebte man nicht. Aber gerade darum wurde erwartet, daß er niemals befehlen, niemals in den vorgeschriebenen Ablauf der Zeremonien oder gar in die
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