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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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blaubeschurzte Leichen lagen darin. Schwerverwundete versuchten, allein oder mit Hilfe von Freunden und Mildtätigen davonzukriechen. Nur am Rande und in den Gassenmündungen waren Unverwundete zu sehen. Sie vermehrten sich, drängten sich, wurden Wände und schoben sich wie tastend voran. Aber nach Schaulustigen sahen sie nicht aus.
    So gut wie allein und keineswegs jubelumbraust stand Adna in der Sonne - mit roten Handschuhen und glitzerndem Schmuck an Schuhen, Gewand und hochgetürmten Haaren . . . Wie auf einem Sklavenmarkt, mußte sie denken, einem Markt, auf dem keiner kaufen will. Mit Glanz und Kleidern überladen, kam sie sich vor wie nackt, und es erleichterte sie, als die Geschorenen sie nun mit ihren Weihrauchtöpfen singend umschritten.
    So betrat sie den Palast. Gleich Himmelsbotinnen, mit
    Schilf in den Händen, kamen ihr junge Dienerinnen des Göttlichen in hochgeschlossenen Gewändern mit fransigen Flügelärmeln entgegen und nahmen sie in ihrer Mitte auf. Ministranten bildeten mit mannshohen Schilden ein Zimmer im Saal und entzogen sie so den Blicken der andern.
    Mancher Raum war zu durchschreiten, und Adna mit ihren Führerinnen ging im eigenen Schildraum hindurch. Doch vor jedem neuen Eingang gab es einen Halt. In feierlichen Formen wurde Durchlaß erbeten und gewährt. Und in jedem Saal blieb ein Teil von Adnas Gefolge und ein Stück ihrer Kleidung zurück. Zuerst die Schuhe, das kurzärmelige Jäckchen, dann - der Gürtel, der blau-rot-weiß-gestreifte Rock, das Mieder, Arm- und Fußreifen, das Hemd aus Byssus . . . Den Zurückbleibenden blieb die Gegenwart der Braut im Leuchten und Glühen ihrer Gewänder auf den alabasternen Fliesen. Handschuhe und Diadem waren die letzten Zeugen ihres Schreitens. Vor dem Minos galt keine fürstliche Würde.
    Jetzt umgaben sie nur noch Eingeweihte, und wiederum stieß der führende Ros seinen Stab auf den Boden.
    »Wer klopft?«
    »Eine Braut.«
    »Was will sie?«
    »Die Gnade Rheas durch ihren unsterblichen ewigsterblichen Sohn.«
    »Sie trete ein.«

31
    Schwere Vorhänge rauschten zu einer klirrenden Musik. Die Spitze der priesterlichen Schildhalter trat auseinander, und eine nackte Frau trat über die Schwelle. Es war Adna. Selbst ihre blonden Haare fielen frei gelöst herunter. Nur ein leichter Schilfkranz wand sich noch um ihre Hüften, dazu bestimmt, daß ihn der Minos herabreiße. Das war die Zeremonie. Was danach geschah, war nicht mehr entscheidend.
    Das Geleit der Eingeweihten war am Eingang zurückgeblieben. Adna blickte sich um und fand sich in Gegenwart eines göttlichen Bildes im leeren Raum. Nein - keine Göttin thronte in der Nische. Es war das Abbild eines männlichen Wesens mit einem goldenen Stierkopf. Nackt war der Stiermensch wie sie selbst, und nun kam aus dem goldenen Kopf ein dumpfer Laut, der wie ihr Name klang. Während das Abbild sich jäh erhob, sank Adna vor Schreck in die Knie. Mit einer großen Gebärde gebot der Stiermensch den Rückzug des priesterlichen Geleites. Es war dies einer der so gefürchteten Minosbefehle, der eigenwillig eine Zeremonie durchbrach und dem kein zweiter folgen durfte. Aber mit diesem einen hatte die Göttin durch ihren Sohn, dem Symbol der ungebändigten Naturkraft, unmißverständlich gesprochen. Gehorsam wurde zur Flucht, und die schweren Falten des Vorhanges schlossen sich wieder hinter der Leere der Räume.
    Mit einem Ruck nahm der Halbgott den Maskenkopf ab und schleuderte ihn achtlos zu Boden.
    »Daß du es bist, Adna!«
    »Garparuda!«
    Beide flüsterten, aus Furcht vor einem geheimen Schacht, der ihr Gespräch vielleicht Mithörern verrate. Weder Adna noch Garp verschwendeten einen Gedanken an den Zweck ihres Hierseins - unangetastet blieb der symbolische Schurz des Mädchens. Rufe der Befreiung war beider Flüstern gewesen: Garp glaubte, durch die Schwester den Weg in die Außenwelt gefunden zu haben, und Adna sah jemanden vor sich, dem sie ihre furchtbare Nachricht anvertrauen konnte, noch dazu einer Persönlichkeit von einer solchen Macht wie . . .
    »Du bist doch der Minos?« fragte Adna. »Wenn du befiehlst, so gehorcht man?«
    »Selbstverständlich gehorcht man mir«, höhnte Garp, »nur wird mir keiner mehr vors Gesicht kommen, der meine Befehle vernehmen könnte. Ich bin der ewige Minos, dessen Ewigkeit den nächsten Tag nicht überleben dürfte, wenn ich hier nicht rechtzeitig herauskomme.«
    »Oh, Garparuda, du würdest den nächsten Tag aus ganz anderen Gründen nicht überleben, wenn

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