Aufstand der Maenner
Seine Gebietenden hatten den Ausdruck von Kraft und Strenge. Sie pflegten ihn. Sonnenverbrannt waren sie, mit herausgearbeiteten Muskeln und einer strengen Linienführung des Gesichtes - je härter, um so weiblicher und schöner. Die oft viel weicheren Züge der Männer in den Straßen waren Garp bereits aufgefallen. Sie erinnerten ihn an den Ausdruck von Kindern Knaben oder Mädchen nur daß sie sich bei denen, wie er es trotz seiner Jugend schon mehrfach bemerkt hatte, sehr rasch verloren. Darüber, daß die meisten Männer das Haar nicht nur frei, sondern auch lang trugen besonders taten das die Ameisenmänner -, wunderte er sich nicht im geringsten, war doch das aufgebundene Haar, der Haarknoten, nach seiner Überzeugung ein unantastbares Ehrenvorrecht der Mädchen, dessen kein männliches Wesen sich vermessen dürfe.
Zwei dieser Art sah er, die er an ihren offenen Haaren als Männer erkannte. Aber diese gepflegten langen Locken dufteten. Sie reichten nicht nur bis über die Schultern, sondern mit den hineingeflochtenen kostbaren Bändern bis auf den Gürtel. Zweifellos waren sie Männer. Ihre nackten Oberkörper bestätigten das. Garp hielt sie für Kinder, allerdings von einer ungewöhnlichen Größe, für Riesenkinder also, und er nahm sich vor, auf keinen Fall zu erschrecken, wenn er die ausgewachsenen Alten zu sehen kriegen würde. Doch vielleicht seien sie gar nicht riesig und nur zurückgebliebene Erwachsene? bedachte Garp weiter. Wenn man aus Kindern Krüppel machen könne, müsse es schließlich auch möglich sein, sie in ihrer sonstigen Entwicklung zurückzuhalten.
Wozu man sie gebrauchen wolle, konnte er freilich nicht begreifen. Immerhin sah er, daß es Kreter seien, aber solche von einer ganz weißen Sorte, dachte er, vielleicht auch sehe ihre Haut nur selten die Sonne. In der Mitte waren sie beinahe durchgeschnitten!
Jedenfalls könne man mit beiden Händen ihren Hüfteinschnitt umspannen. Wenn dadurch aber an den ovalen Schürzen gespart werden solle, so werde das durch die offensichtliche Pracht der Gewebe ausgeglichen. Ihre Sandalen seien von einer sehr zierlichen Form und die Riemen mit bunten, sprühenden Sternen - oder seien es Steine? - geschmückt. Das köcherartige Gebilde zwischen ihren Beinen aber sei aus purem Golde! Für ein Kinderspielzeug sei das viel, und überhaupt hänge der Köcher viel zu tief, um einen schnellen Pfeilwechsel zu ermöglichen, und die Pfeile selbst seien auch noch für Kinder zu kurz - falls Pfeile im Köcher seien. Ziemlich ratlos war Garp. Er hatte das Gefühl, daß die Augen der beiden nicht ihre Augen, ihre Münder nicht ihre Münder und der Schmelz ihrer Wangen nicht ihr Schmelz sei. Was hätte er von den Schminkkünsten wissen können oder von dem Sinn jenes Köchers, der nichts weiter als der prahlerisch vergrößerte Schutz des männlichen Gliedes war. Völlig im unklaren war er sich über die Bedeutung dieser Geschöpfe.
Und doch waren Sinn und Zweck in ihnen. Zwar trugen sie keine Lasten, noch führten sie Waffen oder fuhren sie zur See, vielmehr kröchen sie kichernd in eine bergende Sänfte . . . aber sie waren Mitglieder einer großen und mächtigen Familie: der eine als Sohn seiner reichen Mutter, der andere als Mann seiner Frau. Auf eine Geschäftsreise der beiden Damen waren sie mitgenommen worden.
Garp wußte vieles nicht, auch nichts vom Kaufen und Verkaufen. Aber bei einem Marktstand, wo Felle verhandelt wurden, blieb er stehen und sah zu, wie der Verkäufer mit einer Waage zerbrochenes Silber abwog, das ihm der Käufer gegeben hatte. Sehr lehrreich war das für ihn, und er merkte sich, daß es auf die Gewichtssteine ankomme und daß er deren Wert kennen müsse. Denn das hatte er schon auf seiner Schiffsreise bemerkt: Man fürchtete ihn wohl ein wenig wegen seiner Körperkraft, und dennoch seien fast alle darauf bedacht, seine Unerfahrenheit auszunutzen.
Gerade das aber wollte Garp nicht keineswegs aus Geiz; denn er wußte gar nicht, was das sei, aber aus Eigenliebe wollte er es nicht. Ihm lag Schenken näher als Nehmen, doch es war ihm nicht verborgen geblieben, daß man sich hinter seinem Rücken dann nur über ihn lustig mache und er also nur an Achtung gewinne, wenn er es unterlasse. Als er seine Gefährten wiederfand, klang der Jubel, mit dem sie ihn begrüßten, dennoch ganz ehrlich - und vielleicht war er das auch.
Jokbed hatte nicht viel gesagt: Man brauche Garp, er war ein überaus wichtiger Mann. Aber gerade das machte es ihm so
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