Aufstand der Maenner
Umfassende. Es war, als furchte er, daß die dürftige Pflanze, übermäßig in Anspruch genommen, an Auszehrung zugrunde gehen müsse. Er wollte nur das sehen, wovon er sich Gewinn versprach. Für den Herrn Cheta war der Herr Cheta die Welt, eine Welt, die von einigen Rückschlägen abgesehen - nahezu vollkommen erschien . . . jedenfalls ihm selbst.
Auf diese Weise war es denn kein Wunder, daß er die weiblichen Mitglieder der Familie überflügelt hatte und in Wirklichkeit alle Fäden des Unternehmens in Händen hielt, das den Namen der Mutter trug. Dadurch, daß er Gewinne auf Gewinne häufte, befriedigte er sogar sein religiöses Verlangen, der Mutter in allem zu dienen, und was hätte mehr zum höheren Ruhm der Dame Arta beitragen können als die Erhebung ihres Hauses zu dem gleichen, ja zu einem höheren Rang als dem des anscheinend so unangreifbaren Hauses der Belit? Es gab kein Ziel, das seines Ehrgeizes würdiger gewesen wäre!
Es war aber ein sehr geheimer Ehrgeiz, der ihn trieb, und ein ängstlich verborgenes Ziel. Eitel im gewöhnlichen Sinne war er nicht. Im Hause der Frau Arta befanden sich genug Spiegel aus poliertem Metall, und er war nicht so dumm, um seine Unscheinbarkeit zu übersehen, seine schmächtige Gestalt, sein sommersprossiges Gesicht mit den dünnen Lippen und blaßblauen, etwas wässerigen Augen. Keines der vornehmen Mädchen hatte ihn jemals zum Gatten begehrt, und er wäre sehr erschrocken gewesen, wenn es geschehen wäre. Er liebte seine Freiheit, weil er sie brauchte, und zum
Glück für ihn hatte sich sein Wille immer stärker als sein Geschlecht erwiesen. So sehr liebte er den Schatten, daß es ihn stark beunruhigte, zu der Großen Dame gerufen worden zu sein. Nicht, daß er für die Ehre keinen Sinn gehabt hätte! Wäre seine Mutter gebeten worden, hätte ihn das mit Genugtuung erfüllt. Sie war das Haupt der Familie, und jede ihr erwiesene Ehre und eine Einladung von seiten der Belit war eine - warf einen Abglanz auch auf alle ihre Kinder. Zudem würde Dame Arta eine wichtige Frage nicht sofort entschieden haben. Sie hätte Unkenntnis vorgeschützt und würde sich vor der Antwort mit ihrem Sohn beraten haben. Doch die Große Dame hatte nicht die Mutter, sondern den Sohn gebeten und damit bewiesen, daß sie den Herrn Cheta als den eigentlichen Lenker des Hauses Arta erspäht hatte. Auge in Auge sollte er nun der Belit gegenüberstehen und ihren Fragen standhalten, immer auf der Hut vor ihren Schlichen. Durch kein unbedachtes Wort durfte er sich verfangen. Schwül wurde ihm, wenn er nur daran dachte, und er dachte an nichts als an das. Und dann war Belit da, und sie war allein und ohne Gefolge. Ihre Haare trug sie weiß und ungefärbt. Aber sie hatte einst den teuersten Haarkünstler gekauft, den ihr das ganze weibliche Knossos neidete und den sie nicht einmal ihrer Tochter überließ. Wie eine Maske von Email war ihr geschminktes Gesicht, und Cheta mußte denken, wie gut sie sich dahinter verstecken könne. Von Gestalt kaum mittelgroß und überaus zierlich, war es ihre weiche und zugleich feste Stimme, die sie größer erscheinen ließ.
Der Herr Cheta hatte sich auf beide Knie niedergelassen, die Oberarme fest an den Leib gepreßt, die Unterarme mit nach außen gekehrten Handflächen erhoben und sich derart mit zu ihr aufschauendem Gesicht, so weit er nur konnte, zurückgebeugt.
»Steh auf, Chet«, sagte sie heiter.
Er jedoch fiel vornüber und küßte ihren linken Fuß, bevor er sich erhob. Nichts unterließ er, was ihm aus schuldiger Ehrfurcht zu tun oblag. Und er tat es mit aller Feierlichkeit, weil er dadurch eine schützende Hürde um sich zu ziehen hoffte. Sie aber kannte ihn von Kind auf und griff mit der mütterlichen Vertraulichkeit einer älteren Verwandten gerade diese Hürden an.
»Ich vernehme, daß du schon früh am Hafen warst«, begann sie.
»Es handelt sich wohl um wichtige Frachten?«
Cheta umging die Antwort.
»Wollen Sie, Große Dame, verzeihen, daß erst eine Botschaft meiner mütterlichen Dame mich Unwürdigen verständigte . . .«
Aber die Große Dame erlaubte ihm kein Abschweifen.
»Was machst du für Umstände, Chet? Komm, setz dich zu mir. Wir sind verwandt, denke ich.«
Mit einem dummen Lächeln gehorchte Herr Cheta, wobei er aber immer noch einen respektvollen Abstand wahrte.
»Verwandt sind wohl alle großen Familien von Knossos mit Einschluß aller verbündeten Städte Kretas«, sagte er.
»Und das ist gut. Denn wir sollten
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