Aufstand der Maenner
Große Dame besonderen Wert gelegt und ihm zur geistlichen Unterweisung und Einweihung in die Riten einen Ros, den Oberpriester eines Heiligtums, gesandt. Ihm aber war die Jägerin die Rhea und Rhea die Jägerin. Immer war es für ihn dieselbe Göttin. In ihre nächste Nähe gelangte kein Mann, und Garp fühlte auch kein Bedürfnis nach dieser Nähe. Immer noch stand er allem Weiblichen in Abwehr gegenüber. Nur das Grauen eines lichtgewohnten Wesens erfüllte ihn, als er in die Unterwelt eindrang. Schweigend tat er es; denn Fragen zu stellen und Antworten zu erhalten war ihm etwas anderes, als zu schweigen und zu sehen.
Mit jeder Sprosse, die er hinabstieg, war das Pochen lauter geworden, aber vorerst sah er nur unter sich den Verwalter und über sich .Tuk. Dann näherten sich unter Führung dieses Oberaufsehers alle drei den Geräuschen. Die Männer gingen, und zuweilen krochen sie auch durch die Gänge, die, wie der Führer sagte, verlassene Stollen seien. In der schlechten Luft erstickten allmählich alle anderen Gedanken Garps außer diesem einen: daß er aus dem Labyrinth unmöglich allein zurückfinden würde. Und das war demütigend für ihn, der seine Unabhängigkeit liebte. Ganz seien er und Tuk in der Gewalt des Aufsehers, der nur in einem Nebengang zu verschwinden und sie allein zu lassen brauche, um sie zu verderben. Immer mehr verringerte sich die Leuchtkraft der Lampen. Vielleicht warte der Mann nur, bis die Lampen verlöscht seien? Vielleicht sei er ein Gekaufter der Sipha . . .? Erst als sie schon nahe am Luftschacht waren, merkte Garp, daß sein Atem wieder ruhiger ging, die Lampen heller brannten. Und nun schämte er sich. Als wenn er nicht des unmütterlichen Hasses der Sipha stets gewärtig und gewohnt sei, mit allem zu rechnen! Inmitten einer Welt mit Wasserleitungen, Steinbauten und Bädern war er wie ein Tier auf freier Wildbahn geblieben. Nur noch schärfer war seine Witterung geworden, sein Mißtrauen tiefer.
Doch überwältigen ließ er sich nicht vom Mißtrauen. Er machte sich klar, daß der Karawanenleute zu viele und daß siegelfähige kleine Leute unter ihnen seien, die nach ihrer Heimkehr schwatzen würden. Es sei also gleichgültig, daß er die Reise plötzlich und insgeheim angetreten habe. Höchstens die Göttin könne ihn in ihrem Schoß allem irdischen Leben entrücken. Daß dies geschehe - daran freilich lag ihm nicht das geringste und ebensowenig daran, daß ihm dann vielleicht in irgendeiner kleinen Nebenhöhle ein Heiligtum errichtet würde. Er zweifelte nicht, daß Belit das im Fall seines Verschwindens durchsetzen könnte. Selbst Sipha würde seine Heiligsprechung fördern - sie vor allen! , schon allein, um der Ehren einer Heiligenmutter teilhaftig zu werden. Gerade darum aber nahm er sich fest vor, diesen Fall nie ein treten zu lassen. Er hatte wieder Luft in den Lungen und fühlte sich seiner selbst vollkommen sicher.
Zu sehen, war er gekommen, und nun sah er. Nackte Gestalten, mit unverkürztem, wildem Haarwuchs auf dem Haupt und im Gesicht, schoben in einrädrigen Karren das Erz zur Winde. Auf ähnliches war Garp gefaßt gewesen. Was ihm jedoch auffiel, war das Fehlen jeder Beleuchtung. Keine
Fackel brannte und außer ihren eigenen keine Lampe. Dennoch gab es bei den Sklaven kein Irren im Weg. In völliger Sicherheit zogen die Fröner dahin. Nicht einen Blick warfen sie auf Garp oder Tuk, obwohl in dieser Tiefe doch jeder Fremde, und zumal wohlgekleidete Fremde, auffallen mußte. Und als dann Garp einem Sklaven ins Gesicht leuchtete, erblickte er wohl zwei offene Augen, aber kein Zeichen des Erkennens in ihnen. »Es ist in der Tat so«, hörte er jetzt Tuks kalte Stimme, und es geschah selten, daß der Schreiber ohne Aufforderung sprach, »sie Sehen nichts. Auf eine überaus kunstvolle Art und ohne jede überflüssige Härte erfolgt die Blendung dieser Leute. Man führt weißglühendes Metall ganz dicht an ihren Augen vorüber. Dadurch wird die dünne Außenhaut des Augapfels versengt. Ganz leicht nur, es schmerzt kaum, dennoch reicht es aus, daß die Häutchen undurchsichtig werden. Es ist das Einfachste von der Welt und gleicht dem Verschließen eines Fensters durch einen Vorhang. Von außen ist den Augen nichts anzusehen. Manche behaupten sogar, so ein Auge gewänne durch dieses Verfahren an Schönheit. Die Sklaven selbst verlieren auf keinen Fall etwas am Anblick dessen, was sich ihnen hier unten zeigt. . .«
Darum also! dachte Garp. Nun wisse er, warum dieses
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