Aufstand der Maenner
des Fleisches wegen nachstellen. Aber sie sehen doch, Mütterchen! Die Sonne scheint ihnen . . .«
Belit verfinsterte sich. Die Sonne war nicht ihr Gestirn. Sei etwa Garp doch mehr Mann, als er dürfe . . .?
». . . und den Mond sehen sie«, fuhr Garp fort, »sie sehen einer das Gesicht des andern, wenn er mit ihm spricht, und auch, wenn er mit ihm kämpft. Das. Schrecklichere aber
Menschen, ihres Augenlichtes beraubt, tief unter der Erde lebend und arbeitend! -, das gibt es heute - heute, und Sie, Mütterchen Belit, wissen es!«
»Unter der Erde heißt in der Erde«, sagte Belit herb, »und dort sind sie im Schoße Rheas. Mögen sie sich der Gnade würdig erweisen, indem sie ihre Schuld erkennen.«
»Welche Schuld? Welches Verbrechen ist so groß, um diese Strafe zu verdienen?«
Ehe Belit eine Antwort gab, sprach sie mit ihren Schlangen, und angesichts der heiligen Handlung konnte Garp nichts anderes tun, als auf die Knie sinken.
»Du hättest deine Zeit erwarten können«, sagte sie endlich, »aber nun ist sie da. Vorwitziger! Alles ist dir zu wissen bestimmt - auch dies. Denn wenn ich nicht mehr sein werde, sollst du meinen Willen aufrechterhalten und sollst die Schande deiner Mutter abwischen, daß nicht sie es ist, der ich ihn anvertrauen kann. Bleibe, wo du bist, und vernehme: Selbst eine schlechte Herrschaft ist besser als keine - so sprach ich -, und die Damen Kretas sind vielfach verderbt - das sagte ich auch. Aber nicht alles können sie tun, von dem du glaubst, daß sie es sollten. Darin freilich hast du recht: Kreta gibt mehr aus, als es hervorbringt und erwirbt. So scheint es auch mir, und gewiß weiß es niemand. Es ist dieser ungeheure Luxus, der das verschuldet. Aber dieser Luxus war einmal die geistvolle und erhabene Verwendung eines wirklich vorhandenen Reichtums. Heute aber können wir den Luxus ebensowenig wieder preisgeben wie Kreta, können nicht unsere Paläste verlassen und uns zu Bauern und Handwerkern auf den Boden hocken. Ein solches Handeln würde uns unsere Herrschaft kosten, die Kreta nicht entbehren kann. Unser Luxus, unsere Pracht, ja selbst unsere Vergeudung erweist uns als von Rhea berufen - ihr Name sei mit Zittern genannt! -, allein in ihr beruht unsere Macht, ln der Religion. Wanke nie im Glauben, mein Sohn! Ich habe mich um dich gesorgt und viele Gebete und Opfer der Göttin dargebracht um deinetwillen. Jetzt aber, nach deiner Jugendweihe, weiß ich, daß du den Weg zu ihr gefunden hast. Verlasse ihn nie mehr. Du bist die Hoffnung meines Alters - das sollst du
wissen. Seit ich denken kann, meinte ich, nach meinem leiblichen Tod wieder einzugehen in Rhea. Um der Liebe zu Kreta und um der Verderbnis willen, die es bedroht, verzichte ich auf das Heil meiner Seele und die Erlösung, so sie mir Rhea gewährt hätte. Ungeachtet dessen, daß du nur ein Mann bist, wird meine Seele einst in dir ihren Sitz aufschlagen. Möge meine tiefe Erniedrigung, der ich mich damit weihe, dir zur Erhöhung gereichen. Ich lege meine Seele dir auf. Vergiß nie, daß du sie mit der deinen erlösen mußt.«
Bei dieser feierlichen Eröffnung lag Garp mit dem Gesicht auf den Fliesen, und beide beteten. Jedes andere Wort wäre Entweihung gewesen.
Erst nachdem Belit auf der eigenen Stirn und der ihres Enkels mit geweihtem Öl das Zeichen des Kreuzes gemacht und dadurch ihre Seele gebunden hatte, sprach sie wieder zu Garp.
»Durch die Verbannung deiner Mutter bereitete ich dir Kummer. Aber ich strafte nicht deinetwegen. Sipha verunreinigte den uns als heilig überkommenen Dienst durch Neuerungen, die du kennst.« - Am undurchdringlichen Gesicht Garps ermattete ihr forschender Blick. - »Du brauchst nichts zu sagen - ich weiß es. Darum verbannte ich Sipha, und sie ist meine eigene Tochter. Weit Schrecklicheres taten jene Menschen, die du in der Grube der Vergessenen erblicktest - gar nicht zu vergleichen ist ihr Verbrechen mit der Sünde der Sipha. Sollte ich an Sklaven und Niedriggeborenen ungeahndet lassen, was ich meiner Tochter nicht nachsah?«
»Was verbrachen die Geblendeten?«
»Mußt du es wissen?«
Garp zögerte.
»Nein . . .«, sagte er dann; er brauchte ja auch nicht erst zu erfahren, was ihm bereits bekannt war.
»So frage nicht, Garparuda. Aberwitzig und ganz ohne Sinn ist, was sie taten. Es ist so, als hätten sie dir dein Dasein bestritten, dessen du dich durch Rheas Gnade erfreust. Verächtlich wäre es und wegen seiner Abgeschmacktheit nur geeignet, Ekel zu erregen, wenn es sich
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