Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Dienstwohnungen, Pensionen, Ordenssterne), dieses Ziel neben allen Enthusiasmen und allen lyrischen Gedichtbänden verfolgen, zugleich auch das ›Schöne und Erhabene‹ bis an das Lebensende in sich unversehrt erhalten und nebenbei auch sich selbst bewahren, in Watte verpackt wie ein Juwel, gerade eben diesem ›Schönen und Erhabenen‹ zu Ehren. Ja, ein vielseitiger Mensch ist unser Romantiker und der geriebenste Spitzbube von allen unseren Spitzbuben, versichere ich Sie … sogar aus Erfahrung. Versteht sich, das alles gilt nur von klugen Romantikern. Das heißt, was rede ich! Ein Romantiker ist natürlich immer klug, ich wollte nur hinzufügen, daß, wenn es bei uns zuweilen Romantiker-Toren gegeben hat, diese nicht mitgerechnet werden, weil sie sich alle noch in den besten Jahren vollständig in Deutsche verwandelten und, um sich, das Juwel, besser zu erhalten, irgendwo dort, mit Vorliebe in Weimar oder im Schwarzwald , niederließen. – Ich beispielsweise habe meine Kanzlei aufrichtig verachtet und nur aus Not nicht auf sie gespuckt, weil ich ja selbst dort saß und Geld dafür erhielt. Unser Romantiker wird eher verrückt (was übrigens sehr selten vorkommt), doch er wird nicht spucken, bevor er nicht eine andere Karriere in Aussicht hat, und wird sich nie und nimmer vor die Tür setzen lassen, es sei denn, man müsse ihn als »König von Spanien« in ein Irrenhaus einliefern, das aber erst, wenn er schon gar zu verrückt ist. Verrückt werden bei uns nur die Schmächtigen und Blondgelockten. Die große Mehrzahl der Romantiker jedoch bringt es schließlich zu hohen Ehren. Eine ungewöhnliche Vielseitigkeit! Und welche Fähigkeit, widersprechendste Ansichten in sich zu vereinen! Schon damals ergötzte mich das ungemein, und auch jetzt denke ich noch genauso. Deshalb gibt es bei uns so viele ›weite Naturen‹, die in der größten Verkommenheit niemals ihr Ideal aus den Augen verlieren; und wenn sie auch für dieses Ideal keinen Finger rühren, wenn sie auch die abgefeimtesten Räuber und Diebe werden, so achten sie doch ihr ursprüngliches Ideal bis zu Tränen und sind in ihrer Seele außerordentlich ehrlich. Jawohl, nur bei uns kann der ausgekochteste Schuft in seiner Seele vollkommen ehrlich, ja sogar erhaben ehrlich bleiben, ohne dabei im geringsten aufzuhören, ein Schuft zu sein. Ich wiederhole, unsere Romantiker entpuppen sich scharenweise als solch geschäftstüchtige Schelme (das Wort ›Schelm‹ gebrauche ich nicht im Bösen), sie beweisen plötzlich einen solchen Instinkt für die Wirklichkeit und eine solche Kenntnis der Realitäten, daß die überraschte Obrigkeit und das Publikum, starr vor Staunen, nur noch die Köpfe schütteln können.
Diese Vielseitigkeit ist wahrlich erstaunlich, und Gott mag wissen, wozu sie sich unter künftigen Verhältnissen noch entwickeln und was sie dann in folgenden Zeiten uns bescheren wird? Die Aussichten sind wirklich nicht schlecht! Ich sage das nicht etwa aus irgendeinem lächerlichen und hausbackenen Patriotismus. Übrigens bin ich überzeugt, daß Sie wohl wieder glauben, ich scherze. Vielleicht auch umgekehrt, das heißt, vielleicht sind Sie überzeugt, daß ich tatsächlich so denke. Wie dem auch sei, meine Herrschaften, ich werde Ihre beiden Meinungen mir zur Ehre und zum besonderen Vergnügen anrechnen, und meine Abschweifungen wollen Sie mir bitte verzeihen.
Die Freundschaft mit meinen Kollegen hielt ich natürlich nicht lange durch, ich überwarf mich sehr bald mit ihnen, und infolge meiner damaligen jugendlichen Unreife hörte ich sogar auf, sie zu grüßen, wie abgeschnitten. Übrigens geschah das nur ein einziges Mal. Im allgemeinen war ich ganz allein.
Zu Hause las ich meist, wollte ich doch durch äußere Reize alles in mir unaufhörlich Brodelnde unterdrücken. Und von allen äußeren Reizen gab es für mich nur das Lesen. Das Lesen natürlich hat oft geholfen – es regte auf, erquickte und quälte. Mitunter aber wurde ich seiner entsetzlich überdrüssig. Immerhin wollte man sich bewegen. So ergab ich mich dunklen, kellerhaften, widerlichen – nicht eigentlich Liederlichkeiten, sondern kleinen, schäbigen Liederlichkeiten. In mir steckte eine scharfe, brennende, ständig krankhaft reizbare Leidenschaftlichkeit. Die Ausbrüche waren hysterisch, mit Tränen und Krämpfen. Lesen war die einzige Zuflucht – das heißt, es gab nichts, was ich in meiner ganzen Umgebung hätte achten oder für erstrebenswert halten können. Außerdem stieg
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