Aufzeichnungen eines Außenseiters
eine 25O-Dollar-Guitarre. Ein riesiger Schäferhund kam angerannt, fletschte die Zähne, Schaum vor dem Mund. Ich wehrte ihn so gut es ging mit der Guitarre ab, während Jensen die Türklingel betätigte.
Ein Guckloch öffnete sich in der Tür und eine gelbe, runzlige Visage sagte: »Wer ist da?«
»Bukowski und Jensen.«
»Wer?«
»Bukowski und Jensen.«
»Die Herrschaften sind mir nicht bekannt.«
Der Schäferhund machte einen Satz und es gelang mir, seine Flugbahn durch einen Schlag mit der Guitarre zu ändern, aber als er wieder auf den Beinen landete, schüttelte er sich nur kurz und machte sich zum nächsten Sprung bereit, das Fell im Nacken gesträubt und die dreckigen, gelben Zähne in meine Richtung gebleckt.
»Bukowski. Der Autor von > ALL THE DAMN TIME , SCREAMING IN THE RAIN <. Und ich bin Hilliard Jensen. NEW MOUNTAIN PRESS .«
Der Schäferhund gab ein letztes wütendes Knurren von sich, ehe er wieder zum Sprung ansetzte, als ich L's Stimme hinter mir hörte:
»Oh, Poopoo, laß das!«
Poopoo entspannte sich ein wenig.
»Brav, Poopoo«, sagte ich. »Brav, Poopoo.«
Poopoo schielte mich an. Er wußte, daß ich log. Der alte L hielt die Tür auf.
»Also. Kommen Sie herein«, sagte er.
Ich warf die zerdepperte Guitarre in die Schaukel und wir gingen rein. Das Wohnzimmer hatte die Maße einer Tiefgarage.
»Setzen Sie sich«, sagte L. Ich griff mir den nächsten Stuhl und pflanzte mich hin.
»Ich geb dem Establishment noch ein Jahr«, sagte L. »Den Leuten sind langsam die Augen aufgegangen. Wir werden den ganzen verkackten Laden bis auf die Grundmauern niederbrennen.«
L schnalzte mit den Fingern. »Es wird verschwinden . . .« ( SNAP !) »Einfach so! Ein neues und besseres Leben wird kommen, für uns alle!«
»Wie wärs mit was zu trinken?« fragte ich.
L läutete eine kleine Glocke neben seinem Lehnstuhl. » MAR - LOWE !« brüllte er.
Dann sah er mich an. »Ich habe Ihr letztes Buch gelesen, Mr. Meade.«
»Irrtum«, sagte ich. »Ich bin Bukowski.«
Er wandte sich an Jensen. »Dann sind also Sie Taylor Meade! Verzeihen Sie mir!«
»Nein, nein, ich bin Jensen. Hilliard Jensen. NEW MOUN - TAIN.«
Betretenes Schweigen. Ein Japaner in schwarzen Pluderhosen und weißem Jackett kam hereingetrabt, verbeugte sich und zog ein Lächeln auf, als ob er uns eines Tages alle um die Ecke bringen wollte.
»Marlowe, du Saftneger, diese Herren möchten was trinken. Nimm ihre Wünsche entgegen und bediene sie umgehend, oder ich versohle dir den Arsch!«
Merkwürdig: L's Gesicht sah aus, als habe es nie Schmerzen gekannt. Es war faltig und zerfurcht, aber die Falten sahen irgendwie unecht aus, als seien sie aufgemalt oder aufgeklebt. Merkwürdige Visage. Gelb. Kahl. Winzige Knopfaugen. Auf den ersten Blick ein unbedeutendes, nichtssagendes Gesicht. Wie war es nur möglich, daß er all das geschrieben hatte? Oh, Mack hatte einen großen Schwanz! Oh, Mack hatte den größten Schwanz von allen! Was für einen Schwanz er hatte! Mack hatte den größten Schwanz in der ganzen Stadt, den größten westlich des Mississippi. Alles redete über Macks Schwanz. Oh, Mack hatte einen großen Schwanz . . .< usw. In Sachen Stil machte ihm so leicht keiner was vor. Marlowe brachte die Drinks, und das muß ich Marlowe las sen: er machte die Gläser voll und sparte mit dem Wasser. Er stellte sie vor uns hin und trabte wieder hinaus. Sein Hin tern wackelte unter den dünnen Seidenhosen.
L hatte schon einen sitzen gehabt, als wir ankamen. Er schüttete wieder ein Glas in sich hinein. Ein Whisky-Soda-Typ. »Ich werde mich immer an dieses Hotel in Paris erinnern. Wir waren alle da. Kaja, Hal Norse, Burroughs . . . die bedeutendsten literarischen Köpfe unserer Generation.« »Haben Sie den Eindruck, daß das Ihrer Arbeit förderlich war, Mr. L?« fragte ich.
Es war eine blöde Frage. Er schaute mich strafend an und schenkte mir schließlich ein kleines Lächeln. »Alles ist meiner Arbeit förderlich.«
Dann saßen wir einfach schweigend da, führten unsere Gläser zum Mund und starrten einander an. In regelmäßigen Abständen läutete L die Glocke, und Marlowe brachte Nachschub.
»Marlowe«, sagte L schließlich, »übersetzt Edna St. Vincent Millay ins Japanische.«
»Wunderbar«, sagte Jensen von der NEW MOUNTAIN .
Ich kann nicht sehen, was daran so wunderbar sein soll, wenn einer Edna St. Vincent Millay ins Japanische übersetzt, dachte ich.
»Ich vermag nicht zu sehen, was daran so wunderbar sein soll, wenn einer Edna St. Vincent Millay ins
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