Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
etwa dauert. Wenn es also in der Beschreibung heißt: «zwei Stunden, mehr auf gar keinen Fall» , schlage ich vorsichtshalber noch eine Stunde drauf, rechne also mit drei. Letztendlich brauche ich dann vier und bin froh, dass ich nur eine Stunde über Plan liege.
Ein großer Vorteil des Cachens ist: Während ich bei einem normalen Spaziergang einfach nur so vor mich hin schlendere und mehr oder weniger ziellos durch die Gegend laufe, werde ich hier gezielt an bestimmte Orte geführt, an denen ich sonst nie vorbeigekommen wäre.
Einer der schönsten Caches, an dem einen die verschiedenen Stationen verschlungene Pfade entlangführen und bei dem sich dieses Prinzip sehr gut üben lässt, war für mich der «Drache von Sanssouci» – eine schöne Tour durch den Schlosspark inPotsdam, die ich mit Tobi eines schönen Sonntags im Sommer machen wollte. Irgendwann mal hatte ich irgendwo im Internet von dem Cache im Schlosspark gelesen, ihn jedoch längst vergessen. Als Tobi und ich vor einiger Zeit mal wieder in Berlin weilten, erinnerte ich mich plötzlich daran. Auf einmal wollte ich mir den Cache nicht länger entgehen lassen, zumal der Park sehr schön sein sollte: viele schmale und breite Wege, Brunnen, Statuen, Häuser und Pavillons – alles aus dem 18. Jahrhundert. Allerdings fing die Schnitzeljagd schon damit an, dass ich beim Aufspüren des Caches im Internet ewig brauchte, bis ich ihn endlich gefunden hatte. Es gibt ja so unglaublich viel Möglichkeiten, dieses Wort zu schreiben: Sosussi, Sanssucci, Sosusi, Sans Sussi …
Egal, dieser Multi besteht jedenfalls aus sechs Stationen, die den Cacher quer durch den Park bis zu einer überraschend ruhigen Stelle führen sollen. Überraschend nicht nur wegen der Ruhe, sondern auch wegen der Stelle. Bei der Suche sollten zwei kleine Schwierigkeiten auf Tobi und mich warten. Die erste war grundsätzlicher Natur: Wir mussten damit rechnen, dass der Schlosspark weder einsam gelegen noch wenig besucht war. Wahrscheinlich wimmelte es dort sonntags nur so von fremden, nicht cachenden Menschen, und damit läge das Problem nicht im Finden, sondern im Heben des Caches.
Als Geocacher möchte man schließlich unbeobachtet sein, wenn man den Schatz hervorholt – was sich jedoch als eher schwierig gestaltet, wenn im Suchgebiet überall fremde Menschen herumlaufen. Wir Geocacher reden allerdings nicht von «Menschen» oder «Fremden», nein, das wäre viel zu ehrenvoll, wir reden von «Muggles». Wir müssen also auf Muggles achten. Tja, was sind denn das? Kinder wissen sicher sofort Bescheid, Erwachsene nur, wenn sie ihre verpasste Pubertät durch das Lesen von Harry-Potter-Büchern nachzuholen versuchen. Mugglessind bei Harry Potter 31 alle Menschen, die nicht zu den Zauberern gehören. Sie sind eigentlich durchweg ziemlich dumme Tölpel. Was lag da näher für die Cacher, die im Prinzip die Zauberer der Navigation, des Versteckens, des gegenseitigen Sich-in-den-Wahnsinn-Treibens sind, als sämtliche Nichtcacher als Muggles zu bezeichnen?
Diese Muggles sollen natürlich nicht mitbekommen, wo der Schatz versteckt ist, und deshalb natürlich auch nicht zugucken, wenn man ihn aus seinem Versteck holt. Und das ist an einem öffentlichen, von Touristen überfluteten Ort nun mal eine besondere Herausforderung. Denn meist wartet man so lange vor einer Baumwurzel oder einem Abwasserkanal und ist so was von auffällig unauffällig, dass es irgendwann wirklich jeder merkt. In dem Fall gucken natürlich sehr viele Fremde zu, weil alle gespannt darauf warten, endlich zu erfahren, worauf der komische Typ da wohl wartet. Wenn dann alle fertig gewartet haben, man in der Zwischenzeit zum festen Bestandteil seiner Umgebung geworden ist und alle Zuschauer weitergegangen sind, kann’s losgehen. Man hebt den Cache, macht ihn auf und trägt sich ein. Dasselbe Problem hat man später nochmal an der Backe, wenn man den Schatz wieder verstecken will. Meistens kommen dann alle, die kurz vorher noch zugeguckt haben, erneut vorbei und wollen sehen, ob man immer noch da rumsteht. Nun könnte man so als Muggle denken: Na und, guckt eben einer zu. Aber das Doofe daran ist, dass der Zugucker höchstwahrscheinlich selbst mal nachsehen will, was da wo wie versteckt liegt. Und meist macht der dann alles kaputt. DiesesProblem wollten Tobi und ich jedoch erst angehen, wenn es sich uns stellte.
Die andere Schwierigkeit, übrigens ebenfalls grundsätzlicher Natur, bestand in den Stationen.
Die Aufgaben
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