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Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers

Titel: Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hoëcker
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drangen nicht durch, und der frische Duft des Waldes umgab uns. Wir waren alleine auf einem Waldweg, um uns herum nur noch kleine fliegende und krabbelnde Gliederfüßler. Auf einmal bekam das Cachen für mich einen völlig neuen Reiz. Fernab von befestigten Wegen, keine Straße im Blick, kein Mensch weit und breit,außer natürlich Micha, der fünf Meter vor mir herstapfte, um als Erster am Zielort zu sein, überkam mich plötzlich ein Hauch von Abenteuer. Der Wald war zwar nur sehr klein, aber es hätte auch das Amazonasgebiet sein können. Wie ein Forscher, der den Ursprungsort der Inkas sucht, waren wir auf dem Weg zu einem alten Turm aus den 80er Jahren. Nicht wirklich alt, aber zumindest aus einem anderen Jahrhundert – so wie wir.
    Als unsere Geräte anzeigten, dass wir bis auf ein paar Meter genau an der Stelle waren, wo der erste Hinweis versteckt sein sollte, wurde aus dem Inkasucher in uns noch ein Ausgräber, denn wir wühlten uns bestimmt zehn Zentimeter tief in die Erde. Ich fing an, im Geiste Planquadrate zu erstellen, und arbeitete sie Stück für Stück ab. Jedes Mal aufs Neue enttäuscht, wieder nichts gefunden zu haben, gleichzeitig aber auch voller Erwartung, im nächsten womöglich fündig zu werden.
    Nach 15   Minuten rief Micha: «Hier!»
    «Toll! » , sagte ich, dachte aber: Schade, doch was soll’s. Viele wollten den Schatz von Troja entdecken, aber nur Schliemann hat es letztendlich geschafft.
    Es war ein im Boden vergrabenes Stück Plastikrohr, in das eine kleine Dose eingelassen war. Auf dieser stand ein zu notierender Wert. Wir taten, wozu der Wert bestimmt war, und schrieben ihn auf. Danach machten wir uns auf zur nächsten Station, dem Turm. Er befand sich nur 200   Meter weiter, aber aus dem Amazona s-Dur chquerer und dem Ausgräber wurde jetzt auf einmal ein Reinhold Messner, denn der Turm musste bestiegen werden. 154   Stufen, ohne Sicherung oder Zwischenlager, dafür aber mit einer Aufgabe, warteten auf uns. Sie lautete:   «Hier angekommen, solltet ihr zwischen den Ebenen 6 und 9 nach Hinweis B suchen.»
    Genau das taten wir. Wir erklommen den Turm und suchten. Ehrlich gesagt, taten wir es sogar recht lange. Wir krabbeltenmehrfach die Treppen der angegebenen Stockwerke rauf und wieder runter, wir schauten unter den einzelnen Stufen nach, hinter der Wandverkleidung und sogar auf der Außenseite des hölzernen Bauwerks. Doch gerade als ich mich anschickte, mich gefährlich weit über die Brüstung zu lehnen, rief Micha: «Hier. »
    «Toll! » , sagte ich, dachte aber: Schade, doch was soll’s. Viele wollten als Erste auf den Mount Everest, aber nur Edmund Hillary und Tensing Norgai haben es letztendlich geschafft.
    Auch hier war wieder eine Zahl zu notieren. Wir taten dies und konnten nun die endgültigen Koordinaten bestimmen: N 51° 37.   A E 006° 23.   B , wobei wir für A und B jeweils die Zahlen einsetzen mussten, die wir gefunden hatten.
    Los ging’s, erst ein ganzes Stück zurück bis zum Anfang des Waldes, dann die große Entscheidung: direkt durch den dichter werdenden Wald oder einen Umweg in Kauf nehmen und außen herumlaufen? Ich fühlte mich wie der Kapitän eines alten Segelschiffes, der entscheiden muss, ob er das unbekannte Meer queren oder besser dem bekannten Verlauf der Küste folgen soll. Wir (oder besser Micha) wählten die Küstenvariante und gingen immer am Waldrand entlang. Erst folgten wir noch dem Weg, der aus dem Wald herausführte, dann betraten wir die getrocknete Krume eines frisch gepflügten Ackers. Wir holperten und stolperten Schritt für Schritt weiter und behielten dabei ständig das GP S-Gerät im Auge. So konnten wir verfolgen, dass wir uns zwar nicht zügig, aber dennoch stetig unserem Ziel näherten. Als es nur noch 40   Meter von uns entfernt im Wald versteckt lag und jede andere Waldrandstelle diese Distanz nur vergrößert hätte, brachen wir durchs Gebüsch. Von Brennnesseln ließen wir uns die samtene Haut verletzen und standen plötzlich wieder auf mit Laub bedecktem Waldboden, umgeben von Bäumen und Sträuchern. Wir hatten Neuland entdeckt und suchten den Schatz jetzt auf einer einsamen Insel.
    Ich wollte gerade anfangen zu suchen, was mir die Möglichkeit gegeben hätte, jetzt und hier zahllose Formulierungen für das Umschichten von Erdmaterial zu finden, da rief Micha schon wieder: «Hier! »
    «Toll! » , sagte ich, dachte aber: Schade, doch was soll’s. Viele wollten als Erste einen Seeweg nach Westen finden, aber nur

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