Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
entdecktund wussten, er lag mitten in einem Wald. Da er in der Nähe von Remscheid versteckt war, also direkt an unserer Strecke, und außerdem in relativ kurzer Zeit zu finden sein sollte, hatten wir uns diesen Cache als ein kleines Wir-probieren-das-jetzt-mal-aus-Goodie für den Rückweg aufgehoben. Wir sollten zu einer bestimmte Koordinate gehen und ab dort dann den Reflektoren folgen.
Als wir auf den Wanderparkplatz fuhren, an dem der Waldweg begann, der uns zum Cache führen sollte, waren wir noch gut gelaunt. Es waren gerade mal zehn oder zwanzig Meter bis zur Hauptstraße, der geschlossene Wald lag noch vor uns. Wir lachten, sangen, erzählten uns Frauengeschichten. Dann blieben wir stehen und schalteten den Motor aus. Es wurde dunkel, das Radio verstummte … Wir bekamen Angst, machten zumindest die Zündung wieder an. Alles wurde hell, und wir erzählten uns wieder Frauengeschichten. Leider waren es genau dieselben Frauengeschichten wie vorher, und wenn ich jetzt mal ganz ehrlich bin, dann war es eigentlich nur eine einzige Frauengeschichte. Und selbst die hatten wir noch nicht mal selbst erlebt, sondern in einer Zeitung, ja gut, Zeitschrift, okay, okay, es war ein Magazin, gelesen.
Nach ein paar Minuten fiel uns auf, dass wir in dieser gottverlassenen Gegend mutterseelenallein waren, und wir beschlossen, zum Mann zu werden. Schließlich waren wir perfekt ausgestattet: Wanderschuhe, Taschenlampe, Jacke … ja, mehr nicht. In der Zwischenzeit ist unsere Ausrüstung natürlich gewachsen. Ohne Kompass, Taschenmesser, Streichhölzer, Stifte, Taschenlampe, Ersatzbatterien, GP S-Gerät , Edding, Pfefferspray und natürlich eine zweite Lampe an der Stirn, für den Nahbereich, gehen wir gar nicht erst los. Damals war das anders, da waren wir noch auf uns selbst gestellt.
Also: Zündung aus, Angst an. Tür auf, einen Schritt nachdraußen gemacht. Sofort rannten wir zum nächsten Baum, um uns des Nervositätsurins zu entledigen. 38 Nachdem unsere 23 Mikroliter (zusammen) den Weg zu den Wurzeln der ausgewählten Buche genommen hatten, packten wir unsere Ausrüstung zusammen: Beschreibung, GP S-Gerät und natürlich die Taschenlampen. Dann war es endlich so weit. Schritt für Schritt gingen wir einen Forstweg entlang, mitten durch den dunklen Wald. Rechts und links blickten uns die dunklen Gestalten der dichtgewachsenen Bäume an. Wir erzählten uns die ganze Zeit, was da alles passieren kann und wie toll wir sind, weil uns das egal ist. Und dass uns das in Wirklichkeit gar nicht egal ist, weil uns ja so viel passieren kann. Ich weiß noch genau, dass ich auf dem Hinweg zwei Mandarinen gegessen habe. Die Schale war kein Problem, wir waren ja in der Natur, und vor lauter Angst habe ich sie sowieso mitgegessen. 39
Der Weg machte nach 50 Metern eine Biegung, nach 20 noch eine und dann … noch eine, wieder eine und endlich … eine weitere. So ging das knappe 20 Minuten, dann sagten die Geräte: «Piep.» Mehr nicht. 40
Das war der «Annäherungsalarm». Das Signal, das einem deutlich macht, dass man in der Nähe der eingegebenen Koordinaten ist. Wir hatten also unser Zwischenziel erreicht und blickten uns um. Ein Weg, ein Wald. Wir standen also auf einem Waldweg. Nichts war zu erkennen, aber wir wussten: Jetzt war es endlich so weit. Mit den Taschenlampen spielten wir Leuchtturm und Leuchttürmchen. Ja, Tobi ist der Größere von uns beiden – hat mich auch überrascht, als mir das nach Jahren mal aufgefallen ist.
Plötzlich leuchtete da etwas im Dunkeln. Es war tatsächlich der Reflektor. Der erste in meinem Leben, der nachts, durch menschliches Leben verursacht, Licht reflektierte und es in mein Auge zurückscheinen ließ. Aber das war noch nicht alles: Wir sahen eine Reihe von Reflektoren, alle schön aufgereiht wie eine Perlenschnur, die gerissen war, und dann die Dinger durcheinander auf dem Boden liegen. Allerdings sammelten sie sich in einer länglichen Kuhle, bildeten dadurch eine Linie und gaben so einen Weg vor. Beim Näherkommen entpuppten sich die Perlen als mit reflektierendem Band umwickelte Filmdosen, die an Ästen aufgehängt waren. Zufrieden mit unserem ersten Erfolgserlebnis folgten wir ihnen.
Alles endete mit dem finalen Reflektor, unter dem der Cache liegen musste – so nahmen wir zumindest an. Vor lauter Aufregung hatten wir die Angst ganz vergessen. Wir hatten sie, als wir den Weg verließen, einfach irgendwo an einen Baum gelehnt. Jetzt fingen wir an zu suchen. Das
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