Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
dabei oft genauso dämlich anstellen.
Ähnlich diversen anderen Randgruppen, die sich irgendwie auch auserwählt und von besonderer Einmaligkeit beseelt fühlen, begegnen wir Cacher uns im Internet. Dort, in dieser anonymen Welt der Bits und Bytes, finden wir rastlosen Menschen die Ruhe, die man einem auf der Suche befindlichen, hektischen, von einem Ort zum anderen hastenden Cacher gar nicht zutrauen würde. Hier gibt es Plattformen, auf denen wir unsere Caches auswählen, hier gibt es unzählige Webseiten, die beschreiben, was wir tun, hier gibt es Foren, in denen wir miteinander überunser Hobby plaudern, hier gibt es die Netzwerkprobleme, die uns mit anderen einsamen Menschen in Kontakt treten lassen: Computerfreaks.
Wie sich das in einer großen Familie gehört, entwickeln wir Cacher uns und den anderen gegenüber bald ein gewisses Verantwortungsbewusstsein. Das spiegelt sich vor allem darin wider, dass ein jeder von uns den Caches eine gewisse Aufmerksamkeit entgegenbringt. Sie sind wie seltene Tiere, die sich nicht gerne zeigen. Wenn doch, so nur für kurze Zeit und dann auch nur mit einem schüchternen Blick zwischen Box und luftdichtem Deckel. Es ist demnach selbstverständlich, dass es diese Wesen zu schützen gilt. Daher sollte ein jeder die Dose immer wieder da verstecken, wo er sie auch gefunden hat. Außerdem gilt: Nach dem Loggen bitte wieder ordentlich verpacken, damit die Feuchtigkeit dem Cache nichts anhaben kann.
Ich habe schon Dosen und Gläser gefunden, in denen das Wasser stand, das Logbuch war feucht und der Stift durchtränkt. Daraufhin habe ich ganz brav ins Internet geschrieben, dass der nächste Cacher etwas mehr Zeit mitbringen sollte, um die Inhalte zu trocknen. Der war mit mir ganz einer Meinung und schrieb: «Stimmt, sollte man wirklich tun», eine Woche später ergänzte der dritte: «Das kann man wohl sagen, ich schließe mich den Vorschreibern an», drei Wochen später: «Mann, Mann, Mann, wusste gar nicht, dass so viel Wasser in so ein kleines Büchlein passt», wieder drei Wochen später: «Habe aus dem Pappmaché eine kleine Skulptur gebaut, sie soll allen eine Mahnung sein, nicht nur zu schreiben, sondern auch zu handeln.»
Weiterhin ist wichtig, den Cache vor unbefugter Benutzung zu schützen. Es mag zwar nett wirken, wenn man ihn gefunden hat und sehr offensichtlich wieder versteckt, weil man es den nachfolgenden Suchern nicht allzu schwer machen will. Meist hat aber die eigentliche Suche nicht deshalb so lange gedauert,weil der Cache so gut versteckt war, sondern weil man einen Fehler gemacht hat. Finden nämlich nicht Cacher, sondern irgendwelche Muggles die Dose, so hat das meist eine Plünderung zur Folge. Sie fallen wild über das wehrlose Geschöpf her, stellen sich drum herum und werfen es, bar jedweder Demut, von einem zum anderen. Sie reißen ihm den Deckel vom Leib, und voll Scham muss die Tupperdose die komplette Plünderung ihrer Innereien über sich ergehen lassen.
Kommen andere später zum Ort des Geschehens, bietet sich ihnen nur ein Bild des Schreckens: Zettel, zerbrochene Stifte, ein Stück Dose, Teile einer Plastiktüte. In einem solchen Moment bleibt einem nichts anderes übrig, als dem Cache die letzte Ehre zu erweisen, nämlich dagegenzutreten und laut zu rufen: «Ah, verdammt, und dafür bin ich durch die Büsche gekrochen!» Unangebracht ist es auch, den Cache kurzerhand und eigenmächtig zu verändern. Also Markierungen, Beschriftungen oder sogar das Versteck der Dose seinen eigenen Vorstellungen anzupassen, weil man die Neuerungen einfach «besser» und «passender» findet. Immerhin gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Cachebeschreibung, die nur der Owner selbst verändern kann, und den Gegebenheiten vor Ort.
Natürlich waren auch Tobi und ich schon einmal kurz davor, konnten uns jedoch gerade noch beherrschen. Wir hatten das Problem, dass ein Cache nicht genau an den Koordinaten lag, die sich durch unsere Berechnung ergeben hatten. Wir waren in Sachsen und mussten eine Gedenktafel finden, die dort angegebene Zahl der erwähnten Personen notieren, einen Teil der Jahreszahl als Entfernung verwenden und die Buchstabenanzahl des Gedenksteinsetzers anschließend als Gradzahl nutzen. Oder so ähnlich.
Wir gingen also in die vorgegebene Richtung eine Straße entlang. Genau genommen fuhren wir natürlich, denn es waren bestimmtmehr als 200 Meter. An den errechneten Koordinaten angekommen, standen wir dann mitten auf einer asphaltierten
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