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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sie nicht weiter nachfragte und sich ganz zurückzog.
    Erst sehr viel später stellte sich heraus, dass eine übel meinende Nachbarin hinterhältig den Bruch durch Verleumdungen und falsche Behauptungen eingefädelt hatte, voller Eifersucht, weil ihr die enge Freundschaft der beiden Frauen schon lange ein Dorn im Auge gewesen war. Durch Zufall liefen Scheri und Mina sich irgendwann wieder vor dem Tempel über den Weg, begannen erst sich zu beschimpfen, dann zu reden und zu lachen - schließlich zu begreifen. Am Ende fielen sie sich laut schluchzend um den Hals, und alles war wie früher.
    Beinahe wie früher, denn etwas Entscheidendes war inzwischen anders geworden. Scheri hatte Zwillinge zur Welt gebracht, zu einem Zeitpunkt, an dem sie jeden Kinderwunsch längst begraben hatte. Tia und Satra, inzwischen fast sechs, rundwangig und plappermäulig, glichen sich wie ein Ei dem anderen, waren hinreißend, anstrengend und forderten ihre Mutter Tag und Nacht. Mina war es trotz aller Bemühungen bis jetzt noch nicht gelungen, sie auseinanderzuhalten. Jedes Mal, wenn sie sich ganz sicher fühlte, begannen sie so frech zu kichern, dass ihr klar wurde, sie hatte sich schon wieder getäuscht.
    Zu Minas Überraschung rannten sie ihr heute nicht wie sonst schon von Weitem entgegen, und als sie an die Türe klopfte und Scheris matte Stimme hörte, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte.
    »Was ist mit den Kindern?«, fragte sie statt einer Begrüßung. »Ist eine krank? Oder vielleicht sogar alle beide?«
    »Nein, die sind munter wie zwei Fischlein im Wasser«, sagte Scheri. »Meine Mutter passt bis morgen auf sie auf. Aber ich bin so durcheinander, Mina. Ich bin zu gar nichts zu gebrauchen.«
    »Was ist passiert? Doch nicht etwa - Bata?«
    »Um den musst du dir keine Sorgen machen. Der hockt sicherlich wieder vor seinen geliebten Würfeln.«
    Der unerwartete Familienzuwachs lieferte ihm seit Langem die willkommene Ausrede, abends öfter außer Haus zu sein. Mina und Scheri hatten schon mehrfach beratschlagt, was dagegen zu unternehmen sei, waren aber noch zu keinem brauchbaren Ergebnis gelangt.
    »Dann rede endlich!«, rief Mina besorgt. »Was ist los? Du siehst ja aus, als sei dir Apophis persönlich erschienen!«
    Scheris Haare waren zerzaust, unter den Augen lagen dunkle Schatten, das dünne Kleid zeigte deutliche Schmutzränder. Alles äußerst ungewöhnlich für die eitle, reinliche Scheri, die sonst von früh bis spät wusch und schrubbte.
    Mit tieftraurigem Gesicht sah die Freundin sie an. »Es geht um Mau«, sagte sie. »Meine kleine, liebe Mau. Ich glaube, sie lebt nicht mehr.«
    »Wie kommst du denn darauf?« Scheris Katze Mau, seit Jahren ein wichtiges Familienmitglied, war stolz und eigenwillig. »Sie geht ihre eigenen Wege, das weißt du doch. Sicherlich kommt sie bald zurück. Das hat sie doch noch jedes Mal getan.«
    »Sie kann nicht zurückkommen«, flüsterte Scheri.
    »Was soll das heißen, sie kann nicht?«
    »Ich bin hochgeschreckt, irgendwann in der Nacht, weil Satra wieder so gehustet hat und ich Angst hatte, Tia würde vielleicht auch gleich aufwachen und wir alle zusammen kein Auge mehr zumachen können, bis der Morgen kommt, was wieder zu Streit mit Bata geführt hätte, noch vor dem Frühstück. Da hab ich sie gesehen.«
    »Wen hast du gesehen, Scheri?«
    »Diese bärtigen Männer. Ihren Karren. Und die Käfige.« Scheris Stimme zitterte so sehr, dass es schwierig war, sie zu verstehen.
    »Die Käfige?«, wiederholte Mina. »Was um alles in der Welt für Käfige?«
    »Riesige Käfige, Mina! Käfige mit festem Gitter, groß genug, um Dutzende von Katzen auf einmal fortzubringen.«
    »Moment mal, ganz langsam!« Mina stützte sich auf den Tisch. »Mitten in der Nacht hast du vor eurem Haus einen Karren gesehen, auf dem bärtige Männer große Käfige aufgeladen hatten, ist das richtig?«
    »Katzenkäfige«, korrigierte sie Scheri. »Käfige, in denen Katzen saßen und um ihr Leben schrien. Du hättest sie hören sollen, Mina! Sie wussten genau, was man mit ihnen vorhatte.«
    Da war er wieder, der dicke Kloß in ihrem Hals!
    Eigentlich hatte sie Scheri ja von dem Goldstück erzählen wollen und dem rätselhaften Fremden mit den blauen Augen. Auch von Ameni, der verschwunden war und um den sie sich immer ängstlicher sorgte, je mehr Zeit verstrich. Und von Bastet natürlich, dem Kampf mit der Kobra, ihrer vergeblichen Suche und dem nächtlichen Besuch, der sie so erfreut hatte. Aber sie brachte keinen

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