Auge des Mondes
bekam, wusste sie doch sofort, was sie vor sich hatte: eine persische Münze, die König Darius darstellte. Aus purem Gold - und fast ein kleines Vermögen wert.
Zorn erfasste Mina, eine wilde, heiße Welle, wie sie sie lange nicht mehr erlebt hatte. Was bildete sich dieser Fremde ein! Warf ihr eine Goldmünze vor die Füße wie ein Stück Dreck, nachdem er sie stehen gelassen hatte, als sei es die Mühe nicht wert, ihr bis zum Ende zuzuhören!
Wütend schüttelte Mina den Kopf, und am liebsten hätte sie dazu auch noch wie ein kleines Kind mit den Füßen aufgestampft. Sie war nicht bestechlich, und sie ließ sich auch nicht von glänzendem Metall beeindrucken, so kostbar es sein mochte. Das sollte er sich schon mal hinter die Löffel schreiben, dieser hochnäsige, eingebildete Kerl, der sich aufführte, als hätte er ganz Per-Bastet in der Tasche!
»Das nächste Mal, wenn ich dich wieder zu Gesicht bekomme, werf ich dir dein verdammtes Goldstück vor die Füße, und dann bekommst du von mir zu hören, dass …«
Sie hielt erschrocken inne. Fing sie jetzt schon mitten am helllichten Tag an, halblaut vor sich hin zu brabbeln, wie es sonst nur Alten oder Verwirrten nachgesagt wurde?
Vorsichtig schaute sie sich nach allen Seiten um, aber die Zuhörerinnen hatten sich längst zerstreut, und ausnahmsweise schien nicht einmal Sedi von ihr Notiz zu nehmen.
Mina hielt die Münze fest umklammert und gab sich alle Mühe, den Jungen mit seinem Karren einzuholen.
Er hatte damit gerechnet, dass irgendwann einer nachfragen würde, und es wunderte ihn nicht, dass es ausgerechnet dieser Huy war, der den Anfang machte, ein wieselflinker, magerer Kerl mit wachem Blick. Schon seit einiger Zeit hatte er ihn beobachtet und hätte ihn am liebsten längst gefeuert, wäre es nicht so schwierig und umständlich gewesen, Nachschub zu bekommen - angesichts dieser Ausnahmesituation. Die anderen um Huy herum ackerten und buckelten, stachen die Ziegel aus dem getrockneten Nilschlamm und schichteten sie zu Tonnengewölben für die unaufhörlich wachsende Nekropole auf, ohne sich weiter Gedanken zu machen. Huy aber hielt zwischendrin immer wieder inne, als müsse er überlegen, was allein schon stutzig machen hätte sollen.
»Es hört niemals auf«, sagte Huy, als er plötzlich stoppelbärtig vor ihm stand. »Nicht wahr? Man könnte fast denken, eine Seuche ist ausgebrochen oder sie sind bereits alle tot. Woher wollt ihr das alles eigentlich so genau wissen? Oder werdet ihr schon dafür sorgen, dass es auch wirklich so eintrifft?« Seine Hände waren zerschunden, er trug nichts als einen zerschlissenen Schurz, in seinem Blick aber standen Neugierde und Aufsässigkeit. »Soll das hier eines Tages vielleicht so groß werden wie ganz Per-Bastet?«
»Du bist hier, um zu arbeiten«, erwiderte er müde und mürrisch zugleich. »Und zu sonst gar nichts!« Die Aufsicht über die Tagelöhner war nur ein Teil seiner mannigfaltigen Aufgaben, die der andere ihm aufgebürdet hatte, beileibe nicht der schlimmste, aber eben doch eine zusätzliche Belastung zu all dem anderen, das ihn schon bedrückte.
»Für das bisschen Brot und Bier?« Huy lachte. Im Schein der flackernden Ölfunzeln sah er aus wie ein kecker Hänfling, frech genug, um es mit einem Riesen aufzunehmen. »Das kann nicht dein Ernst sein! Seitdem ich hier schufte, bin ich von der ganzen Plackerei so dürr geworden, dass meine eigene Mutter mich kaum noch erkennt. Außerdem verstehe ich nicht, dass wir den Großteil der Arbeit immer abends und nachts erledigen müssen …«
»Brauchst du auch nicht zu verstehen. Geh jetzt zurück an deinen Platz, und lass mich endlich in Frieden!« Manchmal fühlte er sich von allem so erschöpft, dass er am liebsten gar nicht mehr aufgewacht wäre. Dabei standen die wirklich großen Ereignisse ja noch bevor. Ereignisse, die alles verändern würden, wie man ihm eingeschärft hatte.
»Ich bin noch nicht ganz fertig.« Dieser Huy war lästiger als eine Handvoll Bettwanzen. »Mir ist da neulich ganz zufällig etwas über gewisse Arbeiten zu Ohren gekommen, für die man weitaus üppiger entlohnt wird. Daran hätte ich Interesse - und nicht an dieser sinnlosen Ziegelschlepperei.«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte er, innerlich ganz stachelig vor Abwehr. Sie waren so vorsichtig gewesen, hatten doch alles und jedes bedacht! Dieser junge Nichtsnutz bluffte lediglich, wollte sich nur wichtig machen, nichts weiter.
»Worauf ich hinauswill?
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