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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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die Familie über alles, musst du wissen. Besonders, wenn sie so klein ist wie unsere.«
    Die weißhaarige Dienerin trug ab, was sie kaum berührt hatten. Nach einer Weile kehrte sie mit neuen Schüsseln zurück. Mina hob abwehrend die Hände, obwohl aus ihnen köstliche Düfte aufstiegen.
    »Ich muss bald nach Hause«, sagte sie. »Du hattest mir versprochen …«
    »Hab ich dich etwa gekränkt, Mina? Du bist auf einmal so verändert.« Er suchte in ihren Zügen nach einer Antwort. »Dann möchte ich mich in aller Form dafür entschuldigen. Es ist manchmal nicht ganz einfach, in einem fremden Land das Richtige zu sagen, auch wenn man glaubt, die meisten Wörter richtig zu setzen.«
    Mina schüttelte den Kopf. Was hätte sie antworten sollen? Dass sie sich so töricht vorkam wie eine frisch verliebte Jungfrau und sich dafür selbst am meisten verachtete?
    »Kann ich zu ihm?«, brachte sie schließlich heraus. »Es ist sehr wichtig - nicht nur für mich.«
    »Der Satrap wird dich empfangen. Das hat er mir versprochen.«
    »Und wann? Die Sache ist eilig. Das hab ich schon mehrmals gesagt.«
    Wenn Numi sich jetzt gekränkt fühlte, weil kein Dank von ihr kam und sie stattdessen sogar noch drängelte, ließ er es sich nicht anmerken.
    »Du willst mir immer noch nicht verraten, worum es geht?«, fragte er leise.
    »Familienangelegenheiten«, erwiderte Mina steif. »Auch hier in Kemet liegt uns viel an unseren Verwandten.« Sie erhob sich von ihrem Stuhl; er tat es ihr nach. »Also wann?«, sagte sie.
    »Heute in fünf Tagen«, sagte Numi. »Zur zehnten Stunde. Ich werde dich zum Palast begleiten.«
    Sie hätte ihn berühren können, so nah standen sie sich gegenüber. Öllampen waren im Innenhof verschwenderisch verteilt; sie konnte jede Einzelheit seines Gesichts mühelos erkennen: die kleine Narbe über der linken Braue, die festen Lippen, die älter wirkten, wenn sie sich wie vorhin bitter verzogen, das Licht in seinen blauen Augen, die sanfte Traurigkeit in seinen Zügen, die ihr zum ersten Mal auffiel.
    Weil er sich Tag und Nacht nach seiner Frau sehnte, die weit entfernt von hier in der Heimat lebte? Hatte er sie dort zurückgelassen, um ungestörter seinen Geschäften nachgehen zu können? Fragten die Perser ihre Frauen überhaupt, bevor sie für lange Zeit in unbekannte Länder gingen?
    »Das ist nicht nötig.« Ihre Stimme klang belegt. »Trotzdem danke.«
    »Du kennst ihn nicht«, sagte Numi. »Du weißt nicht, wie gefährlich das für dich ausgehen kann. Ein wenig Unterstützung würde sicherlich nicht schaden - von einem wie mir, der das Spiel beherrscht.«
    Welches Spiel meinte er? Mina begann zu zittern.
    »Aber du hast ja Angst«, sagte Numi. »Das musst du nicht. Komm her zu mir!«
    Sie machte einen Schritt, fiel regelrecht in seine Arme. Er hielt sie auf die richtige Weise, nicht zu fest, aber auch nicht gleichgültig locker. Genauso, wie sie gehalten werden wollte.
    Sie spürte, wie seine Lippen ihr Haar berührten, und war froh, dass sie auf Salbkegel und Öle verzichtet hatte.
    »Besser?«, murmelte Numi nach einer Weile.
    Sie nickte und wünschte sich, er würde sie niemals mehr loslassen.
    »Fünf Tage können eine halbe Ewigkeit bedeuten«, sagte sie.
    »Ich weiß«, erwiderte er. »Aber es war das Beste, was herauszuholen war.« Wieder spürte sie den sanften Druck seiner Lippen. »Soll ich dich nach Hause begleiten? Oder dir einen Diener mitschicken? Sag, wie du es am liebsten hast! Genauso machen wir es dann.«
    »Ich kann allein gehen«, sagte Mina, löste sich aus der Umarmung und fühlte sich plötzlich so verlassen wie schon lange nicht mehr. »Daran bin ich gewohnt.«

    Der Kater saß vor der Katze, sah sie unverwandt an und schnurrte. Sie dagegen, größer und schwerer als er, würdigte ihn keines Blickes. Im fahlen Schein des Mondes konnte Mina beobachten, wie sich ein rötlicher Konkurrent anschlich.
    Jetzt erst wurde die Umworbene unruhig. Ihr Schwanz begann zu zucken, schließlich zu peitschen.
    Der erste Kater, so dunkel, dass er fast schwarz erschien, war nicht bereit, das Feld zu räumen, erst recht nicht, als sie ein paar Schritte lief, dann stehen blieb und sich nach ihm umschaute. Er folgte ihr voller Eifer, sie aber nahm erneut Reißaus, um dann wieder innezuhalten und sich plötzlich hingebungsvoll auf dem Boden zu wälzen. Ein paarmal wiederholte sich dieses Spiel, glücklicherweise in einer Entfernung, die Mina das Zusehen erlaubte.
    Näher und immer noch näher ließ die

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