Auge des Mondes
Göttern, ich bitte dich von ganzem Herzen!‹
Der Hund ließ ihn also ans Ufer, und gemeinsam kehrten sie zu seiner Liebsten zurück. Er küsste sie wach, gestand ihr die List mit dem Schlaftrunk und bestand darauf, sofort mit ihr vor den Fürsten zu treten. Dem warf er sich zu Füßen.
›Ich war feige und habe gelogen‹, sagte der Jüngling. ›Das bedaure ich zutiefst und bitte dich deshalb um Vergebung. Denn jetzt weiß ich, dass man seinem Schicksal nicht entrinnen kann, da einen sonst der Fluch trifft. Ein Prinz bin ich - und wenn ich sterben muss, so will ich hoch erhobenen Hauptes als Prinz aus Ägypten sterben!‹
Der Fürst umarmte ihn gerührt. ›Ein Fremder musste in mein Land kommen, um mir zu zeigen, was Mut ist‹, sagte er. ›So nehme ich dich zum zweiten Mal als meinen Sohn auf und erkläre dich zu meinem Nachfolger. Wenn ich einmal tot bin, wirst du in meinem Namen herrschen.‹«
Sie zwang sich, nicht schon wieder Numis Blick zu suchen. Stattdessen fasste sie die Alte fest ins Auge, der Bastet die köstlichen Wachtelchen verdankte.
» Der Prinz hielt sein Versprechen bis zu seinem Tode und wurde ein großer Fürst. Da er aber trotz allem nur ein Mensch war, kam er manchmal doch in Versuchung, wieder die Unwahrheit zu sagen. Dann kehrten jedes Mal in seinen Träumen die Schlange, das Krokodil oder der Hund zurück - und er wusste genau, was er zu tun hatte .«
Die Zuhörerinnen lachten, klatschten in die Hände, und manche fingen an, mit den Füßen zu trampeln. Mina verneigte sich, allerdings mit gemischten Gefühlen. Der Einzige, auf den es ihr ankam, hatte keinerlei Reaktion gezeigt. Bang wartete sie ab, bis die Menge sich zu zerstreuen begann. Heute würde sie mindestens zwei Karrenjungen brauchen, um ihre Geschenke nach Hause zu schaffen, das hatte sie schnell erkannt. Ob Numi ebenfalls ausharren würde?
Er trat zu ihr, während sie ihre Anweisungen zum Aufladen gab.
»Eine interessante Geschichte, die ich sicherlich nicht vergessen werde«, sagte er halblaut. »Die beizeiten zu kommentieren, ich mir allerdings herausnehme.«
Was wollte er damit sagen? Dass er eine Revanche vorhatte? Aber weshalb? Weil ihm ihr Märchen missfallen hatte? Oder gab es einen anderen Grund, den sie nicht verstand?
Mina starrte ihn an.
»Und was die andere Angelegenheit betrifft«, er neigte sich tiefer zu ihr, roch nach Schweiß, nach Wärme, nach einem würzigen Duft, der ihr fremd, aber sehr angenehm war, »so würde ich dich bitten, heute Abend mein Haus zu besuchen. Bei einem einfachen Mahl werde ich dir dann alles berichten.«
Sie nickte, äußerlich scheinbar geistesabwesend, so überrascht war sie.
»Das heißt, du hast den Sa…«
Numi legte ihr ganz leicht seinen Zeigefinger auf die Lippen. Sie mochte den sanften Druck.
»Nicht nur die Wände haben Ohren in Kemet«, sagte er, und das warme Lächeln kehrte in seine Augen zurück. »Du wirst nicht enttäuscht sein, Mina. Ich bin ganz sicher.«
Er ließ sie warten, ungehörig lange, wie sie fanden, und obwohl sie innerlich darauf vorbereitet waren, empörte es sie doch. Nach und nach begann sich Unruhe, dann Ärger innerhalb der kleinen Gruppe von Priestern breitzumachen.
Senmut beherrschte noch am besten die Kunst, sich nichts anmerken zu lassen, aber selbst er hatte seinen harten Schemel im kleinen Seitengang verlassen und ging nun mit großen Schritten in der Säulenhalle auf und ab. Die anderen beiden, Menna und Chonsu, der Zweite und Dritte Sehende der Gottheit, äußerten ihren Unmut unverhohlen.
»Er hätte zu uns in den Tempel kommen müssen.« Mennas grobschlächtiger Schädel war rot angelaufen, so sehr ärgerte er sich. »Wie es sich eigentlich gehört. Sogar diesen Respekt verweigert er uns. Aber er ist nicht der Pharao - und wenn er sich noch so aufführt!«
»Er wird niemals wissen, was sich gehört.« Der dürre Chonsu äugte vorsichtig zu dem wuchtigen Koloss neben sich auf. »Hast du das in all den Jahren noch nicht gelernt? Hör also auf, damit zu rechnen!«
»Wir könnten ihm beibringen …«
»Gar nichts können wir!« Senmuts scharfe Stimme brachte den Zweiten Sehenden zum Schweigen. »Wir dienen der Mondäugigen, das allein ist unsere Aufgabe.« Er vermied es, sich neben Menna zu stellen, was der andere durchaus registrierte. »Wir werden uns also anhören, was Aryandes zu sagen hat. Höflich und aufmerksam, wie es unserem Amt ansteht.«
»Du willst dich vor ihm ducken?«
»Vor ihr beuge ich mein Knie«, sagte
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