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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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von der ich all die Tage und Nächte geträumt habe, während mein armer Magen vor lauter Hunger so klein und hart wurde wie ein Dattelkern.«
    Die Alte starrte ihn erwartungsvoll an.
    »Das warst natürlich du, meine über alles geliebte Iset, wer sonst!«, rief Ameni. »Du und als Zweites dein unvergleichlicher Entenbraten!«

    Misstrauisch starrte Huy auf den dunklen Brei, den sie ihm in einer Tonschüssel offerierte.
    »Und das hier soll mich heilen?«, fragte er.
    Der Gestank, der aus dem kleinen Gefäß aufstieg, war betäubend, doch die Wunderfrau nickte beschwichtigend.
    »Fett eines Löwen, Talg eines Flusspferdes, vor allem jedoch das Hirn des Nubischen Steinbocks, im richtigen Verhältnis gemischt, zerkocht in zischendem Öl - es gibt kein sichereres Mittel gegen dein Leiden.«
    Inzwischen schmerzte jede Bewegung. Der Kratzer hatte sich zu einer regelrechten Wunde ausgewachsen, tief und dunkelrot. Unter den Achseln konnte er Schwellungen fühlen, die sonst nicht da gewesen waren. Und ihm war heiß, die ganze Zeit so unerträglich heiß.
    »Glaub ihr kein Wort!«, mischte sich nun mit wissendem Lächeln die Konkurrentin ein. »Ihr sind allein im letzten Monat vier Patienten verreckt, während die Leute, die mir vertrauen, noch alle gesund und munter sind.«
    Huy wandte sich langsam ihr zu. Schnell bewegen konnte er sich in seinem Zustand ohnehin nicht mehr.
    »Was würdest du denn vorschlagen?«, fragte er.
    »War es ein Tier mit Krallen?«, wollte sie wissen.
    Er nickte.
    »Ein Tier in großer Angst?«
    Er nickte abermals.
    »Dann gibt es nur eine Medizin, die heilen kann.« Sie begann eifrig in ihren Körben zu kramen. Nach einer Weile richtete sie sich wieder auf. »Ein Verband, getränkt mit dem Sud heißer Zwiebeln«, sagte sie. »Das gilt für außen. Und innerlich führst du dasselbe zu.« Sie fasste ihn scharf ins Auge. »Du hast jemanden, der für dich kocht?«
    »Meine Mutter«, krächzte Huy und verbannte endgültig den Gedanken an die geschmeidigen Hüften von Henet-Wati aus seinem Kopf, die er ohnehin nur noch in fieberheißen Träumen berührte.
    »Dann soll sie geschälte Zwiebeln in reichlich Hühnerbrühe aufsetzen!«, befahl sie. »Viele, viele Zwiebeln. Und du trinkst von dem Sud, so viel du nur hinunterbekommst. Mindestens zwei Tage lang.«
    Er wandte sich ab.
    Ihm war übel; um ein Haar hätte er ihr direkt auf die schmutzigen Füße gekotzt, so elend fühlte er sich. Wenn er etwas auf der Welt hasste, dann den Geruch von Zwiebelsud. Bevor er den in den Mund nahm, geschweige denn hinunterschluckte, begab er sich lieber direkt in Anubis’ dunkle Arme.
    Jetzt war er aus Versehen mit einer mageren Alten zusammengestoßen, die augenblicklich ihren Korb enger an sich zog, als habe er es auf das bisschen Gemüse und die paar Eier abgesehen, die sich darin befanden.
    »Kannst du nicht aufpassen?«, giftete sie ihn an. »Beinahe hättest du mich über den Haufen gerannt.«
    »’tschuldigung«, murmelte er und ließ sich in den Staub sinken. Sogar das Stehen erschien ihm mit einem Mal zu anstrengend.
    »Was ist mit dir?« Die Stimme der Alten klang plötzlich verändert, weicher, fast schon mitfühlend. »Du siehst ja schrecklich aus. Geht es dir nicht gut?«
    »Ging schon mal besser.« Erschöpft schloss Huy die Augen. Vielleicht war das mit dem Sterben gar nicht so schlimm. Sie hatten etwas für die Balsamierung zurückgelegt, wenngleich er immer davon ausgegangen war, dass es die Mutter vor ihm treffen würde. Wenigstens wäre dann das scheußliche Pochen in seinem Arm nicht mehr. Und der Gestank nach Verwesung, der inzwischen von ihm aufstieg.
    »Dich hat man ja ganz schön zugerichtet«, sagte die Alte. »Der rechte Arm, sehe schon. Zeig mal her!«
    Huy hielt ihn ihr entgegen, das schaffte er gerade noch.
    »Du warst bei denen?« Ihr unfreundlicher Blick glitt zu den Wunderfrauen, die mittlerweile bereits neue Kundschaft angelockt hatten.
    »Ist das ein Verhör oder was?« Selbst das Raunzen war mühsam für Huy.
    Sie schien den Ton erstaunlicherweise nicht krummzunehmen.
    »Davon verstehen sie nichts, auch wenn sie das Gegenteil behaupten. Mich haben diese Weiber schon mal in ganz ordentliche Schwierigkeiten gebracht, das kann ich dir verraten.«
    »Ich bin so müde«, murmelte Huy. »Ich will nur noch schlafen.«
    Sie gab ihm einen kleinen Stoß. »So wird das nichts«, sagte sie. »Wenn du hier sitzen bleibst, wirst du sterben. Du hast Fieber?«
    Er nickte.
    »Wie lange

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