Auge des Mondes
brutzelte für die Katze, was immer ihr einfiel, und fragte Mina regelmäßig nach »unserer Kleinen«. Es schien ihr zu gefallen, dass es neben Ameni, den sie hemmungslos verwöhnte, auf einmal ein weiteres Wesen im Haus gab, das sie unter ihre Fittiche nehmen konnte.
»Schön, dass wir endlich wieder mehr sind!«, sagte sie nach einem strengen Blick auf Mina, die ihren Teller auch heute nicht gänzlich geleert hatte. »Da weiß man wenigstens, wofür man sich von früh bis spät abmüht.«
»Es liegt nicht an dir, geschweige denn an deiner Kochkunst …«
»Ich weiß.« Jetzt klang die Stimme der Alten beinahe mitfühlend. »Ist dein Kleid denn noch immer nicht trocken?«
Wieder einmal hatte sie Minas empfindlichsten Punkt getroffen.
Wieso hatte sich Mina in einem schwachen Augenblick auch dazu hinreißen lassen können, mehr als nur ein paar Andeutungen über den Nachmittag in Numis Haus fallen zu lassen! Es half nichts, sich jetzt rasch abzuwenden und Unverständliches zu murmeln, Iset sprach lediglich laut aus, was sie selber längst dachte.
Numi machte sich rar. Kein Besuch, keine Botschaft, nicht eine einzige Zeile. Beinahe, als sei ihr Besuch bei ihm nur ein schöner Traum gewesen.
Ein Traum, der inzwischen verflogen war.
Wenn das seine Art ist, dachte Mina trotzig, dann will ich lieber nichts mit ihm zu tun haben. Erst benimmt er sich, als gäbe es nur mich auf der Welt - und dann ist er plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.
»Du solltest wieder auf den Markt gehen und dort deine Geschichten unter die Leute bringen«, schlug Iset vor. »Das wird dich auf andere Gedanken bringen. Außerdem könnte die Konkurrenz dort vielleicht denken, du würdest das Terrain freiwillig aufgeben, und das willst du doch sicherlich nicht.«
»Und Bastet? Wer kümmert sich dann um sie?«
Jetzt wurde Isets Blick kühl. »Denkst du vielleicht, ich kann kein krankes Tier hüten? Da hab ich in meinem langen Ammendasein schon ganz andere Dinge zustande gebracht!«
Die Alte hatte ja recht - es nützte nichts, sich weiterhin hier zu vergraben. Ameni brauchte sie nicht. Der führte längst wieder sein eigenes Leben, war ständig unterwegs, stets auf den Spuren seiner Asha, wie Mina vermutete, die ihm noch reizvoller, noch begehrenswerter erscheinen mochte, je weniger er sie erreichen konnte. Dennoch schien seine Zuversicht nicht zu wanken.
»Was macht dich eigentlich so sicher?«, hatte Mina ihn gefragt, als er eines Abends erschöpft, aber von innen her strahlend vor ihr saß. »Vielleicht hat sie dich längst vergessen.«
»Sie kann mich gar nicht vergessen«, lautete seine Antwort. »Man spürt doch, ob man zusammengehört. Da gibt es so ein Summen im ganzen Körper, eine Art inneres Vibrieren. Als ob alles, was man hat und was man ist, dem anderen antworten würde. Ich brauche nur an Asha zu denken - und mein ganzer Körper fühlt sich an wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Wenn es sein muss, werde ich auf die Liebste eben warten, sogar bis zum Ende aller Zeiten, und das weiß sie ganz genau.«
Diese Hartnäckigkeit war neu an ihm, und sie beeindruckte Mina. Überhaupt hatte die Haft Ameni verändert, hatte ihn reifer werden lassen, erwachsener, wenngleich in seinem Betragen noch immer Spuren früherer Kindlichkeit durchblitzen konnten. Vielleicht war es ja sogar gut, wenn er sich diesen Rest bewahrte, der ihn so weich, so freundlich, so erfrischend übermütig machte. Ihr gefiel dieser verwandelte Neffe; er war auf einmal kein zu groß geratener Junge mehr, der nicht so recht wusste, wohin mit sich, sondern ein junger Mann, der sich nun auch um andere Gedanken zu machen schien - außer um seine Eltern.
Natürlich hatte es nicht lange gedauert, bis Tama und Tep bei ihr erschienen waren und sich bitter über den neuerlichen Verlust des Sohnes beklagten.
»Ich wette, du hast ihn gegen uns aufgehetzt!«, sagte Tama. »Das würde dir wieder einmal ähnlich sehen. Dabei hast du das Wichtigste allerdings übersehen: Wie wird er sich ohne uns je im Leben zurechtfinden?«
»Was soll nur aus ihm werden, wenn er den ganzen lieben Tag seine Zeit vertrödelt?«, schloss sich Rahotep an. »Ich könnte seine Unterstützung jetzt dringender gebrauchen als je zuvor - in diesen schwierigen Zeiten.«
»Hast du dich noch immer nicht mit deinem Konkurrenten einigen können?«, fragte Mina. »Keinerlei Aussicht auf eine Versöhnung?«
»Wie denn, wo ja nicht einmal mehr auf die eigene Schwägerin Verlass ist!« Sein Mund
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