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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Nase kraus. »Kein Weihrauch heute?«
    »Eisenkraut«, sagte Iset. »Geeignet für Kriegswunden. Und Dämonen kann es auch vertreiben.«
    »Kriegswunden«, wiederholte er staunend. »Und Dämonen vertreiben - das klingt gut!«
    Nun bedeckte sie alles mit einem großzügigen, sauberen Verband, während Huy gierig nach den Fladenbroten schielte.
    »Du hast noch einmal großes Glück gehabt«, sagte Iset.
    »Ich hoffe, das weißt du auch zu schätzen. Sachmet verdient dafür ein ordentliches Opfer von dir.«
    »Werde ich ihr darbringen, werde ich!«, versicherte er.
    »Und du sollst auch nicht ohne Dank bleiben. Hier, für dich …« Er zog das gewebte, inzwischen nicht mehr ganz saubere Band aus seinem Schurz hervor, das seine Angebetete verschmäht hatte.
    Aber auch Iset wollte es nicht annehmen.
    »Behalt es!«, sagte sie. »Für solche Kinkerlitzchen bin ich zu alt. Pass künftig lieber besser auf dich auf, damit ist uns beiden gedient!« Sie musterte ihn unerbittlich. »Eine gründliche Rasur könnte dir ebenfalls nicht schaden, falls dich meine Meinung interessiert.«
    Etwas strich um ihre Beine. Sie beugte sich so tief hinunter, soweit ihr steifer Rücken es erlaubte. Ihre Stimme veränderte sich, wurde plötzlich sanft und lockend.
    »Da bist du ja, meine kleine Bastet, und gar nicht mehr unter dem Bett! Hast du dich endlich doch entschlossen, mich besuchen zu kommen?«
    Die Katze erstarrte, als sie Huy erblickte. Augenblicklich begann sie sich rückwärts zu bewegen. Dabei fuhr ihr Schwanz steil in die Höhe und seine schwarze Spitze vibrierte. Sie stieß ein lautes Fauchen aus, das langsam in ein Knurren überging. Bei der Türöffnung angelangt, drehte sie sich blitzschnell um und rannte davon.
    Verdutzt starrte Huy ihr nach.
    »Du machst jetzt besser, dass du fortkommst«, sagte Iset scharf. »Und untersteh dich, dich jemals hier wieder sehen zu lassen, verstanden? Die Herrin dieses Hauses schätzt nämlich keine ungebetenen Besucher, die ihre Kleine in Angst und Schrecken versetzen.«

    Als die Müdigkeit sie schon überfallen wollte, stand er plötzlich neben ihr. Mina, die eine ganze Weile am Rand des Teichs gesessen hatte, um ihren Gedanken und Träumen nachzuhängen, blickte ungläubig zu ihm auf.
    »Du?«, sagte sie. »Aber wie kommst du hierher?«
    »Ganz einfach. Durch die Tür.« Numi lächelte. »Eine alte Frau hat mir geöffnet. ›Du bist doch kein Geist‹, hat sie gesagt und mir dein Kleid abgenommen. ›Es gibt dich also wirklich!‹ Hast du eine Ahnung, was sie damit gemeint haben könnte?«
    »Ich kann es mir vorstellen«, sagte Mina.
    Er ließ sich neben ihr nieder, und sie spürte, wie große Ruhe über sie kam. Alles, was sie ihm hatte vorwerfen wollen, löste sich auf und verschwand, als sei es niemals da gewesen.
    Es gab nur noch sie beide. Die Frau. Den Mann.
    »Ich wollte dir schreiben«, sagte er. »Und dir einen Boten schicken. Aber als ich zu schreiben versucht habe, kamen mir alle Worte so merkwürdig vor. Die meiner Heimat hättest du nicht verstanden, die der deinen schienen mir fremd und blass.«
    »Wo warst du nur die ganze Zeit?«, sagte Mina. »Ich hab schon angefangen, mir Sorgen zu machen.«
    »Du hast Aryandes kennengelernt«, sagte Numi. »Du kannst dir sicher vorstellen, dass es nicht immer ganz einfach ist, ihn zufriedenzustellen. Immer wieder verlangt er Neues von einem; immer wieder muss man alle Anstrengungen unternehmen, um seine Forderungen erfüllen zu können. Dabei sind die Voraussetzungen gar nicht übel: Meine Beziehungen sind gut, ich weiß, wohin ich mich wenden muss, wenn ich allein nicht mehr weiterkomme, und bislang ist es noch immer gut gegangen. Manchmal aber wünschte ich doch, ich hätte einen Vertrauten, noch besser einen Sohn, der mir dabei zur Hand gehen könnte.«
    Mina hörte ihn seufzen. Jetzt wäre Gelegenheit gewesen, nach seiner Frau zu fragen, aber sie tat es nicht. Die Magie dieser Nacht war zu stark, um sie zu stören.
    »Aber was soll alles Lamentieren? Ich bin ein glücklicher Mann, denn meine Kleine ist ein Geschenk des Himmels, und das weiß ich zu schätzen, glaube mir!«, fuhr Numi fort. »Ich habe also kaum Anlass, mich zu beklagen.«
    »Vielleicht liebst du sie sogar zu sehr«, sagte Mina, die an das seltsame Verhalten des jungen Mädchens beim Abschied dachte. »Jeder Vater muss seine Tochter eines Tages ziehen lassen.«
    »Niemand könnte seine Tochter zu sehr lieben - und nicht nur seine Tochter.«
    Aus seinem Gürtel zog Numi

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