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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht erfüllen. Wir können es uns nicht leisten, sie gegen uns aufzubringen. Denk doch nur, welche Ausmaße ein Aufstand haben könnte, solange Per-Bastet so voll ist wie in allernächster Zeit!«
    Immer noch schien die Weiße das Einzige zu sein, dem Senmuts Interesse galt.
    »Und die andere Angelegenheit?«, fragte er, als er endlich wieder aufsah und die beiden musterte. »Ich hab lange nichts von euch dazu gehört. Wie steht es damit?«
    »Du meinst«, begann Menna, »dass nachts angeblich Katzen …«
    »Meine Ohren schmerzen ob solcher Worte.« Jetzt stand Senmut selber da wie aus dunklem Stein gemeißelt. »Sie dürfen niemals ausgesprochen werden - von niemandem!«
    »Du sollst nicht mehr damit belästigt werden«, versicherte ihm Chonsu. »Vertraue uns!«
    Senmut nickte knapp. Augenscheinlich war für ihn die Unterredung damit beendet.
    Chonsu wandte sich zum Gehen; Menna aber blieb zurück.
    »Es gibt noch ein anderes Gerede in der Stadt«, sagte er. »Die fremden Männer aus Elephantine haben offenbar Aufsehen erregt. Was machen sie eigentlich für dich?«
    Senmuts feine Brauen hoben sich eine Spur. »Sie arbeiten im Dienst der Großen Göttin.«
    »Wieder eines deiner Geheimnisse?« Mennas Stimme klang bitter.
    » Ihr dienen wir. Ihr ganz allein.«

    »Du entlohnst uns in Gold?« Die Stimme des kleinen Bildhauers schwankte vor Glück.
    »Ihr habt nichts anderes verdient«, sagte Senmut. »Allein schon der Körper ist wundervoll ausgearbeitet - der Kopf der Statue aber ein wahres Kunstwerk geworden. Ich danke dir und deinen Leuten. Ihr habt in Stein umgesetzt, was mein Herz ersehnt hatte.«
    »Es war, als hätte sie dabei zu mir gesprochen.« In den dunklen Augen schimmerten Tränen, so ergriffen war der Nubier. »Noch nie zuvor ging mir eine so schwierige Arbeit so einfach und schnell von der Hand.« Er fuhr sich über das Gesicht. »Falls du uns noch einmal brauchen solltest, Herr, du weißt, wo du uns finden kannst - jederzeit.«
    »Ich möchte, dass ihr schnell abreist«, sagte Senmut.
    »Am besten sofort. Ruf deine Leute zusammen und macht euch dann unverzüglich auf den Heimweg!«
    »Die Reise gen Süden wäre leichter für uns, wenn der Nil bereits mehr Wasser hätte …«
    »Du hast gehört, was ich eben gesagt habe?«
    Der Nubier senkte den Kopf. Senmuts Stimme war scharf wie eine Klinge.
    »Wir verlassen Per-Bastet, Herr«, sagte er. »Sofort. Wie du es wünschst.«
    »Gut - und jetzt lass mich mit der Statue allein!«
    Senmut wartete, bis die Schritte verhallt waren, und ließ zur Sicherheit noch eine weitere Weile vergehen. Als er sich der Statue zuwandte, begann er zu zittern, so erregt war er.
    Er ließ seinen Schurz fallen und gürtete sich stattdessen mit dem Leopardenfell des Sem-Priesters. Heute war er beides, Sem- und Bastet-Priester in einer Gestalt - und bald noch viel mehr.
    Aus einer Schatulle holte er die heiligen Werkzeuge des Mundöffnungsrituals, das die Statue zum Leben erwecken würde. Dazu musste er die Leiter benutzen, die auch den kleinen dunklen Männern bei ihrer Arbeit gedient hatte. Er stieg langsam hinauf und bemühte sich, nicht nach unten zu sehen, damit ihn nicht unversehens Schwindel überfiel. Oben angelangt, strömte der Schweiß in Bächen über seinen makellosen Körper.
    Er berührte den Mund der Statue, links mit dem Fischmesser, rechts mit dem Meißel, um ihr die Macht über die Lippen und die Augen wiederzugeben. Sprechen wie ein Lebendiger sollte sie können, sehen und essen.
    Schon beim Herunterklettern, das er ebenso vorsichtig unternahm, hatte er das deutliche Gefühl, dass sich etwas verändert hatte. In ihm wurde es hell und froh.
    Sie war belebt, nein, sie lebte!
    Senmut stellte die Leiter beiseite, legte die Instrumente zurück an ihren Platz. Je größer das Chaos zu werden drohte, desto peinlicher musste die Ordnung eingehalten werden, das hatte sie ihn gelehrt.
    Er warf sich vor der schwarzen Statue zu Boden.
    »Sachmet, mächtige Herrin, Zauberin und Heilkundige, ich flehe zu dir ! Das Schwarze Land liegt danieder in Agonie, anmaßende Besatzer zerstören alles, was uns stets heilig war. Aber auch unter uns hat sich bereits der Schwelbrand des Verrats eingenistet und breitet sich ständig weiter aus. Jetzt brauchen wir deinen heiligen Feueratem, um all das Böse hinwegzufegen und das Chaos zu beseitigen. Erst, wenn deine Flammenzunge gesprochen hat, wird der unendliche Fluss des Lebens auch uns neues Leben schenken.«
    Ein einzelner Lichtstrahl

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